Mein Guillain Barre Syndrom
Mein
Guillain Barre Syndrom
Hallo
alle zusammen !
Endlich
sind die Nervenbahnen in meinen Fingern wieder soweit hergestellt,
dass ich mich wieder an die Tasten wagen kann. So vieles wartete
schon so lange in meinem Kopf endlich niedergeschrieben zu werden,
und ich weiß natürlich dass viele von euch auch schon gespannt auf
meinen Erlebnisbericht warten. Ja, wer hätte gedacht dass mir so
etwas passiert !? Die Erfahrungen, die ich mit meiner Krankheit
machte, haben (vorsichtig ausgedrückt) alles in mir verändert. Das
Foto hier zeigt mich mit meinen 48 Jahren, kurz vor meiner Erkrankung
im September 2012.
Was
ist ein Guillain Barre Syndrom ?
Es
ist eine schon seit 200 Jahren bekannte Autoimmunkrankheit, bei der
das eigene Immunsystem durch einen Virus umgepolt wird und es dann
anfängt die Isolierschicht (Myelinschicht) der Nervenbahnen zu
zerstören. Die Kurz-Erklärung
für Elektriker wie mich: Totaler Kurzschluss im gesamten Kabelbaum.
Die
fatalen Folgen sind Lähmungen am ganzen Körper bis hin zu
Atmungsunfähigkeit. Behandelt wird mit Immunblockern um den
Zerstörungsprozess zu stoppen. Danach baut der Körper das
Immunsystem und die Myelinschicht wieder langsam auf und bei den
meisten können alle Lähmungserscheinungen innerhalb eines Jahres
wieder geheilt werden.
Aber
es ist echt ne harte Nummer sag ich euch !
Ein
Guillain Barre Syndrom ist also keine moderne
Zivilisations-krankheit. Sie kann jeden und in jedem Alter treffen,
sie ist Geschlechts unspezifisch und es entsteht durch den Verlauf
keine Immunisierung. Sie scheint einfach nur ein seltener aber
fataler Fehler des eigenen Abwehr-Systems zu sein.
Die
Danksagung:
Aber
bevor ich jetzt anfange über mich zu erzählen, möchte
ich an
erster Stelle erst mal ein dickes Danke sagen für all die Liebe und
guten Gedanken die all meine Freunde mir, in dieser schweren Zeit,
immer geschickt haben. Ganz besonders auch für meine tapfere Frau
Claudia, meine beiden Kinder, meine Eltern und viele gute Freunde.
Und ein riesen Dankeschön für alle, die versucht haben, so oft es
eben ging, bei mir im Krankenhaus zu sein.
Ich
bin so tief berührt und immer noch sehr erstaunt wie weit sich der
Kreis der Betroffenen gezogen hat. Von überall her bekam ich
mitfühlende Nachrichten und Segenswünsche. Es hat so unglaublich
viele Menschen berührt und in Bewegung gesetzt, die von meinem
Schicksal erfuhren.
So
oft bekam ich Besuch im Krankenhaus und einige haben sich noch weiter
engagiert, wie z.B. Claudias Idee, mir Kollektiv jeden Tag um 9 Uhr
abends Kraft
zu schicken. Auch ein paar Meditationskreise in Orgiva haben für
mich gebetet.
Das
alles ging sogar soweit, dass Anna, die Leiterin hier vom
buddhistischen Retreat-Center Oceling, wo ich gelegentlich arbeite,
eine Email nach Nord-Indien schickte und daraufhin 5000 tibetische
Mönche, die dort im Exil leben, für mich gebetet haben !
Eure
Gebete gaben mir sicher die Energie, tieftraurig wie ich war,
gleichzeitig das Vertauen aufzubringen, dass alles wieder gut werden
würde. Also nochmals 1000 Mal Danke !
All
das hat mich immer dann ganz besonders tief berührt, wenn sich, wie
bei den meisten, durch meine schwere Krankheit auch noch ein
Bewusstseinswandel über das Leben eingestellt hat.
Ich
habe den Eindruck, dass meine Krankheit nicht nur mir selbst die
Augen und das Herz geöffnet hat, sondern auch bei vielen meiner
Freunde und Bekannten. Es hat mir wirklich mein Herz weit geöffnet,
denn so oft musste ich schon weinen über all diese Liebe und Tiefe
die ich zur Zeit erfahren darf, aber es sind eigentlich immer Tränen
der Freude gewesen. Und ich erlebe zur Zeit von
überall her nur
große Freundlichkeit.
Aber
nun gut, wie soll ich denn nur anfangen.....?
Die
Krankheit:
Alles
kam so plötzlich und wie aus heiterem Himmel. Wie jede Krankheit
begann auch diese mit einem kleinen Zimperlein. Meine ersten Symptome
hatte ich erst eine Woche zuvor bemerkt: Fehlender Geschmackssinn,
verändertes Wärme/Kälte-Empfinden auf den Handrücken, und nach
ein paar Tagen dann Kribbeln und Taubheit in Fingern und Zehen.
Zuerst dachten wir, ich hätte nur irgendwelche Durchblutungs-
Störungen, vielleicht durch starke Verspannungen in meinen
Schultern. Ja irgend etwas saß mir da buchstäblich im Nacken.
Aber
als meine Beine dann auf einmal so schwach wurden, dass ich an meiner
kleinen Türschwelle einfach zusammenklappte, ging es am 07.Oktober
2012 auch schon schnurstracks in die Klinik nach Granada. Ein guter
Freund den ich einige Monate vorher mit einer Daumenverletzung ins
Krankenhaus brachte fuhr jetzt mich dort hin. Wir beide witzelten
noch über diese Sittuation.
Schon
innerhalb dieser einen Stunde Autofahrt hatte ich schon keine Kraft
mehr zu laufen und musste mit einem Rollstuhl vom Auto in die
Notaufnahme geschoben werden. Ich hatte großes Glück, dort wurde
binnen weniger Stunden die richtige Diagnose erstellt und sofort
behandelt. Es war knapp, denn zwei Tage später wäre ich ohne
ärztliche Hilfe vermutlich einfach erstickt.
Ja,
es war wirklich schlimm für mich......,vor allem am Anfang.
Ich
war innerhalb einer Woche völlig gelähmt und konnte nur noch
hilflos daliegen. Bis auf den Kopf etwas zur Seite drehen, konnte ich
mich nirgends auch nur einen Millimeter mehr bewegen. Sogar meine
rechte Gesichtshälfte war gelähmt.
Meine
Lungenmuskulatur hatte auch keine Kraft mehr und ich musste 6 Wochen
lang auf der Intensivstation (hier in Spanien UVI,
Unidad-Vigilando-Intensivo genannt) künstlich beatmet werden. Ich
bekam Morphium in hohen Dosen gegen die abartigen Nerven-Schmerzen.
Vergleichbar vielleicht mit denen einer Zahnwurzel-Entzündung, nur
im ganzen Körper !
Ich
konnte nicht einmal mehr sprechen, nur noch mit dem Mund lispeln,
weil ich durch einen Schlauch an meinem Hals beatmet wurde und so
mein Kehlkopf keine Luft mehr bekam (Luftröhrenschnitt).
Die Meisten konnten mich dadurch kaum verstehen. Ich war einfach nur
ein Kopf mit einem hilflosen Klumpen Fleisch dran, das bei jeder
Berührung auch noch höllisch weh tat. Ich war in meinem Leben nie
ernsthaft krank, oder gar in einem Krankenhaus gewesen. Doch da lag
ich nun, umgeben von piepsenden Maschinen, die mich am Leben hielten.
Ich
kann mich an die ersten 2 Wochen auf der UVI nur schwach erinnern,
weil ich so viel Schlaf- und Schmerzmittel bekam. Doch zu diesem
Zeitpunkt wusste ich bereits, dass all dies schon bald wieder vorbei
gehen würde. Denn Claudia versuchte mir, in meinen wenigen klaren
Augenblicken zu erklären, was mit mir los war, und dass ich wieder
ganz Gesund werden würde. Dem Himmel sei Dank, denn ansonsten wäre
das Ganze wirklich ein richtig schlimmer Horrortrip geworden.
Meine
Nahtoderfahrung:
Ich
kam in dieser Zeit dem Tod auch einmal so nahe, dass ich die
Gelegenheit hatte, einen kleinen Ausschnitt aus meiner eigenen
Zukunft wie in einem Kurzfilm zu sehen. Ich war kurz, aber sehr
bewusst in anderen Dimensionen in der ich der Zeitlosigkeit viel
näher war als der Zeit, wie wir sie normalerweise erleben können.
Es kam mir dort alles viel realer vor als alles andere zuvor. Es war
wie ein Erwachen aus einem langen Traum, den ich für die
Wirklichkeit gehalten hatte. Oder wie ein tiefes Erinnern, vielleicht
so, wie wenn man an einen Ort aus seiner frühen Kindheit
zurückkehrt.
Diese
Erfahrung begann so:
Ich
konnte meinen Unterleib wegen starker Schmerzen in den Hüften nicht
mehr spüren und ich hyperventilierte deswegen schon eine ganze
Weile. Alle Versuche der Nachtschwester meine Beine in eine
angenehmere Position zu bringen waren erfolglos. Ich war sehr
verzweifelt und unsicher, wie es nur mit meinem Leben weitergehen
sollte. Ich hatte Angst, dass ich vielleicht den Rest meines Lebens
stark behindert sein würde, oder sogar als ewiger Pflegefall dahin
siechen müsste.
Vermutlich
kommt jeder Mensch am Ende seines Lebens an einen Punkt, an dem er
sich dem Tod endgültig stellen muss. Dieser Moment erfordert sehr
viel Mut, denn wir spüren vielleicht dabei dass dies nicht wieder
rückgängig gemacht werden kann. Es ist unsere letzte große
Entscheidung die wir zu treffen haben, ob wir uns dem Tod stellen
oder uns nur winselnd davor drücken wollen. Doch bleibt uns in
diesem Moment meistens nicht viel anderes übrig. Jedoch die Haltung
die wir vor diesem großen Unbekanntem einnehmen finde ich sehr
entschiedend. Ich war bereit zu gehen, ich wollte es wissen, und ich
hatte plötzlich keine Angst mehr davor.
Alle
Alarmsignale meiner Überlebensmaschinen piepsten schon seit einer
Weile wie verrückt und ich fragte mich ernsthaft, ob ich jetzt
vielleicht einfach sterben würde ? Doch dieser Gedanke beunruhigte
mich kaum noch, sollte ich etwa so weiter machen, verzweifelt nach
mehr Luft kämpfen, um diesen Schmerz ertragen zu können ?
Irgendwie hatte ich genug davon. Etwas in mir wollte jetzt vielleicht
einfach sterben, denn ich machte dann einfach weiter mit dem
Hyperventilieren.
Mein
Bewusstsein machte dann plötzlich einen großen Sprung, es dehnte
sich auf den ganzen Raum aus in dem ich lag, und ich konnte alles um
mich herum wahrnehmen ohne dabei wirklich hinzusehen. Ich wusste,
welche Krankenschwestern und Ärzte gerade um mich herum waren,
obwohl ich meine Augen geschlossen hatte. Ich hatte sogar das Gefühl,
nur im Geiste mit ihnen Kontakt aufnehmen zu können, ohne dabei zu
sprechen.
Ich
wusste, dass meine zuständige Krankenschwester große
Angst um mich hatte. Sie war sehr besorgt über meinen Zustand.
Einmal hörte ich sie ganz laut und verzweifelt meinen Namen sagen
und ich versuchte sie im Geiste zu beruhigen. Ich hatte keine Angst.
Ich wusste, ich war vielleicht auf dem Weg in den Tod, aber selbst
wenn, es war mir egal. Ich wollte wissen, wohin es mich bringen
würde. Ja, und irgendwie war ich auch einfach neugierig darauf, was
da jetzt kommen würde. Und was hatte ich jetzt auch schon zu
verlieren.
Ich
fühlte mich ein wenig wie als Kind, wie ein trotziger kleiner Junge,
der nicht das tat was er tun sollte. Und doch fühlte ich mich
irgendwie im Recht. Es war alleine meine Entscheidung was ich jetzt
tun wollte. Jeder sollte das Recht haben frei zu entscheiden, ob er
weiterleben möchte oder nicht. Und vielleicht war das hier jetzt
meine einzige Chance noch auszusteigen, denn schon bald könnte ich
nichtmal mehr dazu die Kraft haben. Ich atmete also weiter gegen die
Maschinen, so stark ich nur konnte.
Ich
gab alles was ich noch in mir hatte, immer weiter und weiter und
weiter....
Dann
schwebte ich auf ein Mal immer höher und war bald schon etwa 1000 km
über der Erde und kreiste dabei mit meinem Körper in einer Art
Geburtsstellung um eine Achse. Dort verließ ich dann sogar meinen
Körper und betrachtete mich dabei von noch weiter oben. Ich war hier
diesem grenzenlosem, leerem Weltall so nahe.
Ich
staunte über den Anblick dieses gigantischen Planeten unter mir, und
es ergriff mich eine tiefe Ehrfurcht, weil mir deutlich wurde, dass
diese Erde auch nur ein winzig kleiner Ort in diesem Universum ist.
Diese Leere und Grenzenlosigkeit schien mir Überwältigend. Ich
fühlte mich wirklich kleiner als klein, ein winziges Tüpfelchen
Seele, allein in dieser Unermesslichkeit des Weltraumes. Aber ich war
nicht alleine hier, ich fühlte mich begleitet, ja sogar geführt und
doch war hier niemand außer mir zu sehen.
Dann
sah ich genauer in diese schwarze Leere hinein und mein Blick wurde
dabei schärfer und klarer. Es erschien mir dann alles so
unermesslich bunt und reich. Ich konnte darin all diese Informationen
erkennen, die mir ganz dicht zusammen gepackt wie eine Chronik der
ganzen Welt vorkamen. Der Weltraum war gar nicht leer, im Gegenteil,
er war übervoll. Ich hatte das Gefühl als könnte man es nur mit
einem sehr scharfen Messer schneiden. Alles hier schimmerte wie viele
kleine Lichtpünktchen in einem soliden Granitstein, in allen
möglichen
Farben.
Oder
vielleicht auch so, wie all die Informationen, die auf einer DVD
gebrannt sind.
Einige
diese Lichtpünktchen schienen wie auf magische Weise miteinander
verbunden zu sein. Man brauchte nur einen Anfangspunkt anvisieren und
konnte so einem Strang dieser Punkte folgen. So konnte man dann die
Informationen wie in einem Film im Bewusstsein sehen.
Alles
war hier gleichzeitig enthalten. Die Vergangenheit, die Gegenwart und
die Zukunft aller Wesen. Und was mich vor allem sehr erstaunte, sogar
alle möglichen Parallelwelten aller Wesen, also alle Lebenswege, die
jedes Wesen je hätte einschlagen können ! Nichts schien mir dabei
vorherbestimmt zu sein, denn all die möglichen
Wege und Entscheidungen waren einfach unermesslich
viele.
Ich
konnte mich dann an einem Punkt entscheiden, ob ich mich in diesen
Ozean der Zeitlosigkeit auflösen
wollte, oder wieder ins Leben und in die Zeit zurück kehre. Ich
wollte an diesem Punkt dann gerne wissen wie mein Leben mit dieser
schlimmen Krankheit aussehen würde und mir wurde ein kurzer Einblick
in meine eigene Zukunft erlaubt: Ich sah mich mit meinen Kindern in
der Nähe unseres Holzhauses die staubige Piste hochlaufen. Es war
ein warmer, sonniger Tag mit einem makellos tiefblauen Himmel. Ich
konnte einigermaßen gut laufen, und ich war sehr glücklich und
zufrieden. Ich dachte nur ganz spontan: Ja ok das nehm ich.
Ich
vernahm dann auch noch so etwas wie eine Stimme, die mich sehr an
meine eigene innere Stimme erinnerte. Sie sagte mir, dass ich wegen
meiner Krankheit ein paar Monate früher sterben würde als sonst.
Aber auch das erschien mir nicht wirklich ein Grund zu sein, jetzt
hier oben zu bleiben.
Und
doch war alles sehr gemütlich und nett hier. Der Tod ist durchaus
bequem im Vergleich zu unserem Leben auf der Erde.
Wer
weiß, hätte ich nicht gespürt, dass viele von euch mich so gerne
wieder zurück haben wollen, wär ich vielleicht wirklich einfach
dort geblieben. Ja es war vermutlich echt knapp, aber ich entschied
mich ganz spontan wieder für das Leben.
Ich
wachte dann einige Augenblicke später einfach wieder auf, wie aus
einem langen Traum, als mich mein mürrischer Narkosearzt lautstark
anschrie und schüttelte, ich solle mich gefälligst
zusammenreißen
und endlich wieder ruhiger Atmen.
Am
nächsten Morgen stand er ganz verblüfft vor dem Bildschirm meiner
Beatmungs- Maschine. Als er meine Werte kontrollierte, murmelte er so
vor sich hin und sagte dann wie zu sich selbst: Wieso nur
regenerierst du dich so schnell ?
Das
viele Hyperventilieren war wohl ein sehr gutes Training für meine
schwache Lungenmuskulatur gewesen.
Impressionen
aus dem Jenseits:
Dort
oben zu sein war ein bischen so, als wenn du mit deinen Eltern an
einen Ort aus deiner frühen Kindheit zurückkehrst, an dem du
vielleicht mal ein paar Jahre verbracht hattest. Zuerst erinnerst du
dich an nichts, und wenn du dich dann ein wenig umschaust, zieht dich
irgend etwas an, und du erkennst, dass es ganz tief in dir drinnen
ein Teil von dir ist. Etwas in dir erinnert sich dann an diesen Ort,
und du freust dich einfach wieder dort zu sein.
Dort
in der Zeitlosigkeit kam mir alles wie ein weiter, leerer Ozean vor.
Es beschäftigten mich keinerlei Ängste mehr. Nichts, nur abwartende
Gleichgültigkeit ohne jede Emotion. Alles erschien mir von hier aus
irgendwie bedeutungslos und belanglos zu sein. Nichts kann dort je
verloren gehen, und doch ist nichts davon mehr, als der Tropfen, der
ins Meer zurück fällt.
Mir
wurde später
dadurch klar,
dass Bedeutung nur durch Grenzen, die wir selbst ziehen erst
entsteht: Gut und schlecht, schön und hässlich, innen und außen,
ich und du, usw.
In
der Zeitlosigkeit gibt es all diese Grenzen einfach nicht. Dadurch
bekommt alles den gleichen Geschmack. Nichts ist wichtiger oder
wertvoller, als etwas anderes. Kein Lebensweg ist dort besser oder
schlechter. Dort ist alles nur, wie es ist, ganz neutral, ohne jede
Bewertung. Es ist sicher schwer, sich das vorzustellen, doch wenn man
es einmal gespürt hat, bleibt es einem für
immer
in Erinnerung.
Es
war ein Ort an dem es absolut kein Zeitgefühl mehr gab. Es kam mir
vor als wär ich schon immer hier gewesen, und als würde ich für
immer hier sein. Ein einziger Moment kann einem hier wie ein ganzen
Leben vorkommen, oder viele Leben wie ein einziger Moment. Erst jetzt
verstehe ich wirklich die volle Bedeutung dessen wenn man beim
sterben sagt: „Er hat das Zeitliche gesegnet“.
Die
Erde erschien mir von dort aus wie eine Zeitfalle inmitten dieser
unendlichen Leere und Fülle der Zeitlosigkeit. Denn hier auf der
Erde haben wir eigentlich nur die Gegenwart. Vergangenheit und
Zukunft sind für uns hier nicht wirklich mehr erreichbar.
Aber
auch nur hier auf der Erde haben wir unsere Sinne die uns all diese
wunderschönen Erlebnisse und Emotionen bescheren können. Gefühle
wie Liebe, Glückseligkeit, Lust, Licht und Farben, Wind und Wasser
auf unserer Haut, all diese Düfte
und der
Geschmack von leckerem Essen, der Anblick all der Vielfalt dieses
wunderschönen Planeten mit all seinen wunderbaren Geschöpfen......
Diese
Erfahrung dauerte vielleicht nur etwa 10 Minuten, doch sie wird mein
zweites Leben, das ich nun hier beginne, immer begleiten und mich
ermahnen, all diese weltlichen Geschenke viel dankbarer und bewusster
wahrzunehmen.
Was
für ein kostbares Geschenk !!!
Jeder
Tag ! Jeder Augenblick !
Tot
sein können wir immer noch eine halbe Ewigkeit lang. Aber nur jetzt
sind wir hier lebendig auf der Erde, nur jetzt gilt unser Ticket in
dieser einzigartigen, wunderbaren Zeitfalle, wonach sich sicherlich
so viele Seelen verzehren, die auch so gerne hier her kommen möchten.
Es ist vermutlich eines der größten Geschenke des Universums, oder
vielleicht die größte Attraktion des Kosmos.
Mir
wurde mal wieder bewusst, dass ich hier auf der Erde nur ein Gast
bin, ein Zeitreisender, und wir alle sind wirklich nur eine sehr sehr
kurze Zeit hier, denn die Tage und Jahre vergehen so schnell. Und
verglichen mit der Ewigkeit. werde auch ich mich schon ganz bald
wieder von hier verabschieden müssen.
Bis
heute sind die dominantesten Gefühle, die mir aus dieser Erfahrung
zurück geblieben sind: Die Liebe und das Glück. Natürlich war ich
überglücklich wieder bei den Menschen sein zu dürfen die ich
liebe.
Liebe
ist ohne Zweifel die Basis von allem. Und ich meine hier nicht irgend
eine abstrakte oder reifere Form der Liebe. Diese Liebe fühlt sich
so gewöhnlich an wie jede Liebe die wir zu unseren Mitmenschen oder
auch zu Dingen oder Sittuationen haben können.
In
ihrer reinsten Form ist sie nicht eifersüchtig oder egoistisch,
sondern bedingungslos. Ich spürte dort eine allumfassendere Liebe,
eine Liebe die einfach alles durchdringt. Ich weiß nun auch, das
jedes Wesen für immer zutiefst geliebt und geschätzt wird, niemand
hat wirklich etwas zu befürchten, oder kann irgend etwas falsch
machen.
Und
jeder, der diese allumfassende göttliche Liebe in sich auch nur ein
einziges Mal gespürt hat weiß, dass sich das ganzes Leben bis zu
diesem Zeitpunkt gelohnt hat. Sie ist die Realität der Realitäten,
die unbegreiflich herrliche Wahrheit der Wahrheiten, die im Kern von
allem, was existiert oder je existieren wird, lebt und atmet. Und
niemand der sie nicht kennt, kann auch nur ein annähernd exaktes
Verständnis davon erlangen, wer oder was wir sind.
Vielleicht
hatte auch die Tatsache etwas mit diesem wilden Glück in mir zu tun,
dass ich zum ersten Mal verstand, wer ich wirklich bin und in was für
einer Welt wir leben.
Die
Stimmung dieser „anderen“, zeitlosen Welt blieb noch lange in mir
präsent. Dort war ich wie losgelöst von persönlichen Anhaftungen.
Ich machte mir keine Sorgen mehr um weltliche Dinge. Es gab keine
Orte, die ich vermisste, oder Menschen um die ich hätte trauern
können. Ich war eine Seele, die nichts mehr zu verlieren hatte. Ich
bin aus dem Nirgendwo gekommen und ich war ein Niemand, und ich hatte
auch keine persönliche Geschichte mehr. So akzeptierte ich auch
meine Umstände ganz uneingeschränkt und völlig gelassen.
Zum
ersten Mal in meinem Leben war ich besänftigt, nicht zufrieden oder
glücklich, aber besänftigt. Es war, als hätte eine große Hand die
Uhr in meinem Kopf still stehen lassen. Eine Uhr die sonst immerzu
vor sich hin getickt hatte, und die mir nie diese innere Ruhe ließ,
die ich jetzt dort verspüren durfte, fast völlig gelähmt in meinem
Krankenhausbett auf der UVI in meiner Lieblings-Stadt Granada, aber
all das spielte überhaupt keine Rolle mehr.
Es
war, als hätte die Ewigkeit angefangen in mir Wurzeln zu schlagen,
und mit meinem Hirn seine eigenen ewigen Gedanken zu denken. Vor
meiner Erkrankung war es mit mir noch nicht so weit gekommen, die
Grenzen waren noch streng gezogen. Viel zu oft noch, verwirrten sich
meine Gedanken.
Aber
auch jetzt fiel es mir oft schwer, mein früheres und mein jetziges
Ich auseinander zu halten. Mein neues Ich, von dem ich nicht sicher
bin, dass es nicht langsam von einem größeren Wir aufgesogen wird.
Schon
vor vielen Jahren bahnte sich diese Verwandlung in mir an. Aber nun
war es mir faßt unmöglich geworden, in dieser summenden und
piepsenden “Stille” der UVI, unter all den Menschen in diesem
Krankenhaus, mich wie ein einzelnes abgesonderdertes Ich zu fühlen.
Ein kleines, blindes, eigensinniges Leben, dass sich nicht einfügen
will, in die große Gemeinschaft !? Einmal
war es mein ganzer Stolz gewesen, ein solches Leben zu sein. Aber
jetzt schien es mir plötzlich sehr armselig und lächerlich. Ein
aufgeblasenes Nichts. Wer war ich denn, wenn nicht eines von vielen
Augen Gottes. Wir alle sind doch des gleichen Ursprungs.
Und
ich erkannte auch, dass nur durch unsere Sterblichkeit hier alles
eine tiefere Bedeutung bekommt. Vor allem auch mit all den lieben
Menschen die uns hier umgeben. Ganz besonders diejenigen, mit denen
wir in liebevollem Austausch sind.
Die
bedingungslose Liebe und Akzeptanz, die ich auf meiner Reise in diese
andere Dimension erlebte, ist die wichtigste Entdeckung, die ich je
gemacht habe.
An
einem Ort ohne Zeit werden alle Ereignisse und alle Getrenntheit
völlig unbedeutend. Denn sie sind vielleicht nur das Salz in der
Suppe. Mir wurde klar, dass es in unserer Welt der schier endlosen
Vielfalt nur darum geht irgend etwas davon gern zu haben. Die
Vielfalt offeriert sich uns, sie bietet sich uns an um irgend etwas
davon auszuwählen. Wir können die Dinge lieben die wir besitzen
oder die wir sehen. Wir lieben Musik die uns verzaubert, oder auch
bestimmte Ereignisse im Leben.... aber vor allem doch können wir
Individuen lieben, unsere Mitmenschen oder auch Tiere, die unseren
Weg ein Stück weit begleiten.
Es
geht vielleicht wirklich nur darum, dass wir etwas finden was wir
überaus gern haben können. Denn wir sind buchstäblich im Glück,
wenn wir lieben können. Wir lieben unsere Kinder, unseren Partner,
Familie und Freunde, unser Zuhause, unsere “Spielsachen”, unsere
Gesundheit, unser Leben.... und die Art wie wir es zu leben vermögen.
Zugegeben
geliebt zu werden erleichtert es uns manchmal selber auch lieben zu
können, aber darum geht es im Grunde gar nicht. Es geht nur um unser
eigenes Gefühl der Zuneigung, das sich mit dem von anderen anderen
addiert und manchmal, bei Gegenseitigkeit, auch multipliziert.
Diese
Welt ist nur dafür geschaffen worden, um das Gefühl der Liebe so
effektiv wie möglich zu vervielfältigen. Wie in einem Gemüsegarten
wird auf diesem Planeten Liebe angebaut. Wenn wir alles lieben
könnten, auch das Unangenehme und unsere Feinde, dann wären wir
vollständig realisiert, dann wären wir wahrlich erleuchtet. Es ist
doch das wonach so viele Suchende im Grunde suchen.
Wären
da nicht die Ungerechtigkeit, die Gemeinheit und der Hass, dann wär
das Paradies schon längst hier auf diesem Planeten vollendet. Sie
sind das Ungeziefer und das Unkraut in Gottes Garten, welche die
Liebe vielleicht eindämmen, aber doch niemals besiegen können. Denn
die Liebe ist immer stärker, und sie kommt spannender Weise eben
genau da ganz leuchtend zum Vorschein, wo auch die meisten ihrer
Schädlinge sind. Dort wo die Menschen leiden, erbarmen sich andere
Menschen und beginnen ihnen zu helfen.
Wir
Menschen haben die überaus schlechte Angewohnheit, das wärmende
Feuer der Liebe leicht wieder zu vergessen, wenn wir darin baden. Wir
gewöhnen uns daran und vergessen unsere Kinder und unseren Partner
zu lieben, wenn wir es als etwas Selbstverständliches betrachten.
Erst wenn es uns genommen wird, erkennen wir den immensen Verlust.
Wir betrachten auch die Liebe zu unseren Besitztümern als
selbstverständlich, weil wir uns ihrer Sicher glauben, aber auch nur
solange bis uns diese eines Tages wieder genommen werden. Oder wir
vergessen sehr schnell wie überaus kostbar unsere Gesundheit ist,
bis wir einmal krank werden und Schmerzen erleiden. Und wir vergessen
immer wieder das Leben gebührend zu feiern, weil wir uns schon so
sehr daran gewöhnt haben, und es gar nicht wahr haben wollen, dass
es so endlich und so kurz ist. Dabei schweben wir hier doch
eigentlich alle zu jeder Zeit in größter Lebensgefahr !
Das
Leben ist der absolute Außnahmezustand, und die Liebe in unseren
Herzen ist das allergrößte Geschenk dabei. Denn die Liebe ist die
Kraft die uns lebendig hält, und die unsere Spezies vermehrt und
fortpflanzt. Ohne die Liebe vermehren wir uns nicht. Ohne Liebe
sterben wir bei lebendigen Leib. Ohne Liebe wäre unser Leben einfach
nur wertlos und leer.
Und
nichts wird uns einmal bleiben, wenn wir eines Tages “das Zeitliche
segnen” werden, außer all der Liebe die wir jemals liebten. Denn
nur die Liebe entstammt aus dieser zeitlosen Welt und wird dort auch
für immer bestehen bleiben. Sie ist das Einzige was uns einmal noch
bleiben wird, in unserer “jüngsten Stunde”. Wir können nichts
anders mitnehmen als all unsere Liebe. Und wer das erst dann erkennt,
wenn es einmal soweit ist, dem wird sein Leben als vergeudet und
verloren erscheinen müssen.
Vielleicht
ist die Liebe ja das einzig wirklich Zeitlose hier auf Erden, und
damit unsere einzige Brücke zur letztendlichen zeitlosen Realität.
Ich denke, sie ist vermutlich das Wichtigste und das Schönste,
zu dem wir Menschen imstande sind.
Und
ich kann allen jetzt nur immer wieder sagen: Hey, genießt das Leben.
Es ist soooo wunderbar !!!
Diese
positive Grundstimmung über
das Leben hat mich nach diesem Nahtod- Erlebnis die ganze Zeit
begleitet. Ich war danach eigentlich immer gut drauf, war einfach nur
froh und zutiefst dankbar, noch lebendig zu sein und hatte einfach
nur Spaß am Leben, auch wenn ich völlig gelähmt war. Ich hatte
einfach mein Schicksal angenommen, nichts in mir wehrte sich mehr
dagegen. Es war eben wie es war, und ich würde schon wieder da
herauskommen. Denn ich wusste ja, nichts bleibt wie es ist, und alles
verändert sich immerzu.
Das
Foto hier zeigt mich am ersten Tag, an dem ich wieder aus eigener
Kraft atmen konnte und ich endlich von der Lungenmaschine befreit
wurde.
Ich
weinte in dieser Zeit sehr oft, war ganz schnell tief gerührt wegen
klitzekleiner Begebenheiten, z.B. ein Stückchen tiefgründiger Text
in einem schönen Lied das ich irgendwo hörte. Ein tiefer,
wissender, liebevoller Blick von jemandem der vorbeikam. Eine schöne
Erinnerung oder ein Gedanke an jemand, den ich sehr mochte. Oder
einfach, weil die Putzfrau heute gute Laune hatte und bei ihrer
Arbeit ganz gemütlich und wunderschön vor sich hin summte.
Es
machte mir seltsamer Weise nicht so viel aus, dass ich vollkommen
hilflos war. Auch wenn es für mich, als alten Kontroll- Freak und
Selbermacher, wirklich keine leichte Übung scheint. Im Gegenteil,
ich war von mir selbst überrascht, dass ich all diese Hilfe so gerne
und zutiefst dankbar annehmen konnte.
Ich
gebe aber zu, ich habe manchmal durch rumjammern und Theaterspielen
versucht, Situationen zu kontrollieren, die mir unangenehm waren. Vor
allem in der Anfangszeit, als ich noch viele Schmerzen hatte und ganz
oft meine Liegeposition verändert haben wollte und später dann auch
beim Sitzen lernen. Manchmal war es wie ein kleiner Machtkampf um
Hilfe oder Aufmerksamkeit, und oft wurde ich dabei von den sehr
erfahrenen Krankenschwestern schnell durchschaut.
Die
ganze Zeit über begleitete mich die wunderschöne und
außergewöhnliche Musik von Johanna Kunin. Ich hörte eigentlich
nichts anderes. Sie war wie die warme Hand eines guten Freundes, die
mich durch die Dunkelheit der vielen einsamen Nächte begleitete.
Wenn ich sie gerade nicht auf meinem MP3 Player hörte, spielte sie
in meinem Kopf weiter wie ein Ohrwurm und ich verstand und liebte
ihre tiefgründigen, spirituellen Texte, täglich ein wenig mehr. Sie
hat mir so unglaublich viel menschliche Wärme und Mut und Hoffnung
gegeben mit ihrer eigenwilligen, sanften und gleichzeitig so
kraftvollen Musik. Ich bin ihr zutiefst dankbar und ich wünschte ich
könnte ihr eines Tages mal ins Gesicht sagen, was für ein
unglaubliches Genie sie ist. Denn vielleicht bin ich nur durch sie so
erstaunlich schnell wieder gesund geworden.
Einige
Morfium-Träume:
Ich
erinnere mich noch an ein paar lustige und schreckliche Erlebnisse,
die wohl sehr stark vom vielen Morphium geprägt waren. Oft war ich
so high davon, dass ich einen trockenen Mund hatte und meine Zunge
sich halb taub anfühlte.
Auch
bekam ich oft Muskelzuckungen und hatte deswegen Nachts manchmal
Angst, aus dem Bett zu fallen, denn oft schwebte ich mit meinem
Krankenbett etwa 100 Meter hoch über den Lichtern der Stadt.
Ich
war in einem Universitäts-
Krankenhaus in Granada und einmal kam eine Ärztin mit zwei
Auszubildenden zu mir, um ihnen zu zeigen, wie man die Zahnpflege bei
gelähmten
Patienten macht. Sie erklärte ihnen ausführlich die zwei
verschieden bunten Flüssigkeiten, die sehr übel zu riechen
schienen, denn alle verzogen ihr Gesicht als sie daran schnupperten.
Ein Lehrling wollte sich zuerst weigern das Zeug bei mir anzuwenden,
er sagte es wäre doch sowas wie Benzin und gewiss nicht gesund, wenn
ich es schlucken würde. Ich bekam langsam höllische Angst und es
kam mir bald vor, als wär ich dummerweise in einer Art Folteranstalt
geraten, in der Hexen ihr Unwesen treiben. Die Ärztin spritzte mir
dann eine riesen Ladung von dem Zeug in den Mund und saugte es unter
schrecklichem Getöse mit einem Schlauch wieder ab. Es schmeckte
widerlich. Aber ich schaffte es gerade noch, so lange die Luft
anzuhalten, dass ich nicht viel davon verschluckte.
Dann
sollte ein Lehrling mit einem kleinen Schwamm und der anderen
Flüssigkeit meinen Mund reinigen. Er entschuldigte sich zuerst bei
mir, dass ich nun sein Versuchskanninchen sei, und versprach mir
dabei so vorsichtig zu sein wie er könnte.
Er gab sich wirklich Mühe und es war gar nicht so schlimm, wie ich
dachte. Ich lächelte ihn dankbar an und nickte ihm freundlich zu.
Ich war so froh, wenigstens einen gutgesinnten, mitfühlenden
Menschen hier unter all diesen vermeintlichen Hexen zu haben.....
Einmal
steigerte sich mein Misstrauen dermaßen, dass ich dachte ich sei gar
nicht mehr in einem Krankenhaus, sondern in einer privaten Pflege-
Klitsche in der gerade ein Streit unter den Krankenpflegern
ausgebrochen war. Sie beschimpften sich übel untereinander und als
eine nach der anderen verschwand, kam mir der Gedanke, als wär der
ganze Laden womöglich
illegal und die Polizei sei ihnen vielleicht schon auf den Fersen.
Ich
hatte richtig üble Gedanken, vielleicht war ich ja doch ein
hoffnungsloser Fall und das Krankenhaus hatte mich einfach schon
abgeschoben und ich würde vielleicht nie wieder gesund werden. Ich
war total verzweifelt und am Ende.
Als
ich dann draußen
eine Polizeisirene hörte, war ich froh, dass der ganze Spuk
hoffentlich bald vorbei sein würde und ich hoffentlich wieder in ein
ordentliches Krankenhaus kommen würde. Ich hatte Angst, ich hoffte
so sehr, dass Claudia und die Kinder da nicht mit hineingezogen
würden. Vielleicht wurden sie ja sogar entführt, wieso sonst bekam
ich denn gar keinen Besuch mehr ?
Doch
die Männer die kamen, sahen dann gar nicht aus wie Polizisten. Waren
es verdeckte Ermittler ? Ich war unsicher ob ich etwas unternehmen
sollte, doch wie auch, ich konnte ja nicht einmal sprechen.
Ich
hatte mich noch nie so hilflos gefühlt wie in diesen Momenten. Ich
gab auf und schlief dann irgendwann einfach wieder ein und als ich
später wieder aufwachte war Claudia mit meinen Eltern da.
Ich
war so froh, sie zu sehen. Ich versuchte ihnen klar zu machen, dass
die Bullen da waren und sie mich schnell hier raus holen müßten.
Gott sei dank konnte Claudia mich dann wieder beruhigen und mir
erklären,
dass alles nur ein übler
Traum
gewesen war.
Aber
ich hatte manchmal auch wirklich schöne
Träume. Eimal war ich mit Claudia und unserem Wohnmobil-Truck im
Urlaub am Cabo de Gata. Wir reisten zusammen mit einem anderen sehr
netten jungen Pärchen, die auch so ein altes Wohnmobil hatten. Es
war Sommer, wir hatten viel Spass zusammen, wir alle waren
braungebrannt und vergnügten uns dort an den wunderschönen
Stränden. Als ich davon erwachte konnte ich es erst kaum glauben,
dass ich in Wirklichkeit gelähmt und im Krankenhaus, und es auch
noch Winter war. Draußen regnete es in Strömen. Wie gerne wär ich
noch etwas länger in meinem Traum geblieben....
Ich
hatte auch ein sehr lustiges Morphium- Traum Erlebnis. Ich hörte,
dass ich Besuch bekam von Armin und Jessi. Doch sie kamen nicht in
mein Zimmer, sondern redeten mit den Krankenschwestern im Vorraum.
Sie alle hatten wohl sehr viel Spaß, denn oft konnte ich ihr Lachen
hören. Ich war irgendwie ein wenig eifersüchtig. Doch dann kamen
sie doch noch zu mir, aber sie waren auch in grüne Krankenhaus-
Kittel verkleidet und stellten mir nur allerhand altes Krankenhaus-
Gerümpel in mein Zimmer. Ein altes verstaubtes Ultraschallgerät und
diverse rostige Infusions-Ständer. Ich amüsierte mich sehr, weil
ich dachte, dass Armin und Jessi die Sachen irgendwo auf dem Müll
gefunden hatten, und sich einen ihrer wilden Streiche dazu ausgedacht
hatten. Doch dass sie gar nicht zu mir kamen, machte mich schon etwas
traurig. Aber klar, dachte ich, sie waren ja verkleidet und taten so,
als kannten sie mich gar nicht....
Erst
ganz am Ende der Besuchszeit kam dann Jessi noch mal kurz zu mir in
Zivilkleidern. Ich sagte ihr: “Wie schön, dass du noch zu mir
kommst...” doch sie konnte mich nicht verstehen und ging auch
gleich wieder weg. Dann hörte ich draussen einen großen
LKW und ich dachte sie seien jetzt wieder weg gefahren. Später
diskutierten die Krankenschwestern, was sie jetzt mit all dem Zeug
machen sollten und schienen sehr ratlos darüber.
Sie bestellten erst mal eine Putzfrau. Doch irgendwann wurde dann
Gott sei Dank doch alles wieder rausgeschafft aus meinem Zimmer.
Ich
hab diese Geschichte später Armin und Jessi erzählt und sie haben
sich kringelig gelacht. Nichts davon war wahr, ich hatte mir alles
nur ausgedacht.
Aber
so ist das eben auf Morphium, alles kommt einem völlig real vor,
auch wenn es noch so absurd ist. Sehr oft wunderte ich mich z.B. dass
die Krankenschwestern manchmal alle perfekt bayrisch oder schwäbisch
redeten, und dann doch plötzlich wieder spanisch. Ich verstand
manchmal einfach gar nix, oder nur wirre Satzfetzen ohne einen
Zusammenhang.
Und
sehr oft schielten meine Augen und mein Gehirn bastelte die beiden
Bilder trotzdem zu einem Bild. So entstanden die komischsten und
verwirrendsten Bilder, wie z.B. ein Blumentopf der auf einem Stuhl
saß und ganz lange in ein Labtop starrte.... Oft fühlte ich mich
einfach nur kaputt und lebensunfähig.
Der Abschied
von der Intensiv- Station:
Mein
neues Leben begann also auf der UVI des Krankenhauses „San Cecilia“
in Granada. Und wie jede Intensiv- Station ist sie in vieler Hinsicht
der Ort, der wohl am meisten über Leben und Tod entscheidet. Ich
sah hier viele Patienten kommen und gehen und manchmal bekam ich es
auch mit, wenn einer starb.
In
der Regel wurden die Menschen hier nach einem Unfall nur wieder
zusammengeflickt und sie blieben nur für einige Stunden oder Tage,
bis sie außer Todesgefahr waren um dann in andere Stationen verlegt
zu werden.
Nur
ich und ein halb toter Mann im Bett schräg gegenüber blieben hier
für viele viele Wochen. Zu Beginn vernahm ich von ihm auch noch
gewisse Lebenszeichen, hier und da ein Röcheln, ein Hüsteln, oder
auch nur mal ein unregelmäßiges Piepsen seiner Überlebensmaschinen.
Doch bald schon erschien er mir nur noch wie ein Toter, der hier
künstlich am Leben erhalten wurde. War seine Seele etwa schon
gegangen ? Seine Familie stand immer nur völlig ratlos vor seinem
Bett herum, aber keiner hier schien sich zu trauen einfach mal den
Stecker zu ziehen. Das ging so für viele Wochen.
Eines
Tages dann, wurde der Körper des Mannes gründlich gewaschen und mit
einer stinkenden Flüssigkeit eingeölt, und sein Bett wurde
kunstvoll und aufwendig mit allerlei religiös anmutenden Dingen
geschmückt. Ich dachte mir dabei, so sieht also der moderne Tod in
Spanien aus, eine lustig absurde Mischung von alten katholischen
Traditionen, andalusischer Magie und modernster Krankenhaus- Technik.
All das vermutlich nur, um den Angehörigen den Abschied leichter zu
machen.
Nach
dieser Zaubervorstellung, bei der zuerst die gesamte Verwandtschaft
ganz ehrfürchtig vor seinem Bett stand, wurde etwas später dann,
klammheimlich von einer Schwester ohne jeden weiteren Zeugen, der Tod
herbeigeführt. Alle Stecker wurden gezogen, alle Kabel abgeklemmt,
alle Schläuche gekappt. Der Körper wurde in weiße Laken gehüllt
und später von zwei Männern in schwarzen Kleidern auf einer kleinen
Bare davongefahren. Alles hatte dann plötzlich gar nichts magisches
mehr. Die Putzfrau kam gleich danach um sein Bett gründlich zu
reinigen, und ein paar Stunden Später lag schon ein neuer Patient
darin, an der selben Stelle.
Ja,
es gab hier manchmal recht absurde Dinge zu sehen. Einmal starb ein
kleiner Junge an den Folgen eines Autounfalls. Die Mutter weinte so
heftig, dass sie schnell aus der Station gebracht wurde. Seine Oma
wollte dann neben seinem Bett eine riesige Petroleumlampe anzünden,
wohl um seine Seele in den Himmel zu geleiten. Doch das gab natürlich
richtig Ärger, als die Krankenschwestern das entdeckten. Die alte
Frau wurde auch gebeten zu gehen. Sie war sehr verzweifelt und bat,
dann wenigstens eine Haarlocke von dem Jungen abschneiden zu dürfen,
um Zuhause mit ihr besser für ihn beten zu können, was ihr dann
noch gewährt wurde.
Nach
über 7 Wochen auf der Intensiv- Station fühlte ich mich dort schon
wie Daheim. Sie war mein erstes neues Zuhause in meinem neuen Leben.
Und wie damals als kleiner Junge bei meiner Mutter, wurde ich auch
hier wie ein kleines hilfloses Baby, aller bestens versorgt und
wirklich sehr intensiv beobachtet. Beinahe stündlich wurde mein
Blutdruck und die Temperatur gemessen und notiert. Das Bündel all
dieser Aufzeichnungen war schon ein dicker Packen Papier. Das Team
dort war fantastisch, alle rannten den ganzen Tag fleißig von links
nach rechts und von rechts nach links. Oft kam ich mir vor, wie ein
Zuschauer bei einem Tennisturnier.
Ich
kannte bald alle Ärzte und Krankenschwestern, ja sie
wurden faßt ein bischen wie meine neue Familie. Ich mochte alle sehr
gerne und fühlte mich auch sehr gemocht von allen. Alle kannten mich
bis unter die Unterwäsche, sie hatten mich schon oft gewaschen,
geputzt, gefüttert. Mit einigen führte ich sogar manchmal lange
philosophische Gespräche über das Leben.
Es
war wirklich hart für mich dieses neue Zuhause nach 8 langen Wochen
wieder zu verlassen. Alle kamen, einer nach dem anderen, um sich ganz
persönlich von mir zu verabschieden. Sie alle wünschten mir gute
Gesundheit und gaben mir nützliche Tipps für meine weitere
Genesung. Ich war so sehr berührt jedes Mal, dass ich faßt immer
dabei weinen musste. Ich wurde dann für die nächsten Wochen in die
Neurologie verlegt.
Meine
Eltern halfen immer beim Umzug. Ich bekam ein Zimmer mit schöner
Aussicht, Richtung Norden, auf einen Berg, wo ich einst meinen
allerschönsten Gleitschirmflug absolvierte.
Ich
hing noch am Tropf und bekam immernoch starke Schmerzmittel. Meine
Beine schmerzten schrecklich, vor allem Nachts. Fast täglich kam
Lola zu mir, meine Physio- Therapeutin, die Übungen mit mir machte.
Mit ihrer Hilfe stand ich das erste Mal ganz kurz auf meinen
unfassbar wackeligen Beinen.
In der Reha-
Klinik:
In
der ersten Dezemberwoche wurde dann schon ein Platz in der
nahegelegenen Reha- Klinik „San Raffael“ für mich frei. Ich kam
dort am ersten Tag in ein Durchgangszimmer, in dem außer mir noch
ein sehr sehr alter Mann lag. Ich dachte mir noch, der machts
bestimmt nicht mehr lange... Und tatsächlich, schon eine Stunde
später machte er seinen letzten Atemzug. Er hatte nur noch damit
gewartet bis seine Frau bei ihm eingetroffen war.
Ich
war sehr gefasst darüber, es gruselte mich in keinster Weise mehr,
denn ich wusste ja jetzt, wo er hingehen würde. Ich war eher froh
für ihn, und fasst mehr traurig über seine Angehörigen, die wegen
seinem Tod ganz außer sich vor Schmerz waren und deswegen die
Heiligkeit dieses stillen, aber so wichtigen Moments dieses Mannes,
gar nicht mehr würdigen konnten.
Die
Reha- Klinik war super, ich bekam sogar ein helles Zimmer auf der
Südseite des Gebäudes und hatte so zum ersten Mal wieder direkte
Sonnenstrahlen in meinem Bett. Hier wehte ein ganz anderer Wind. Es
gab hier sehr viele alte Leute, aber auch viele junge und gutgelaunte
Krankenschwestern. Meine Eltern hatten sich 3 Wochen Zeit für mich
genommen und verwöhnten mich nach Strich und Faden.
Körperlich
war das schlimmste eigentlich das wieder sitzen lernen. Sie haben
schon sehr früh damit angefangen. In der Intensivstation haben sie
mich mit Hilfe eines kleinen Krans aus dem Bett in einen Sessel
gehievt. Das erste Mal hatte ich noch große Mühe, nur meinen Kopf
gerade zu halten. Ich hatte in meinem Hintern noch nicht so viel
Gefühl, als dass ich dort Schmerzen empfinden konnte. Doch das
änderte sich schon bald und es wurden meine allerschlimmsten
Stunden. Lange Zeit konnte ich nicht länger als 1 bis 2 stunden.
sitzen, dann tat mir alles weh. Das änderte sich erst hier in der
Reha- Klinik, als ich dort eines Tages die 5 Stunden Marke geschafft
hatte und ich dann endlich auch mit einem Rollstuhl rumfahren durfte
und von meinem Vater dazu noch ein bequemes spezial Silikonkissen
bekam, das ich bis heute noch gerne benutze wenn ich lange sitze.
Ich
erfreute mich täglich
über
all die kleinen Dinge, die ich wieder erlernte. Jeden Tag eroberte
ich mir ein Stückchen meiner Freiheit zurück.
Ich weiß noch wie stolz ich auf mich war, als ich von meinem
Rollstuhl aufs Klo rüber rutschen konnte und ich nicht mehr ins Bett
kacken musste.
Oder
wie ich das erste Mal im Rollstuhl sitzend wieder unter freiem Himmel
in der warmen Sonne war und mir die Wolken und das Himmelsgewölbe so
unfassbar riesig erschienen. Ich nahm alles viel viel intensiver
wahr.
All
meine Ärzte, Krankenschwestern und vor allem mein Physio-Therapeut
machten sich immer große Sorgen um meinen Genesungs-Prozess weil
ich Vegetarier bin. Alle sagten mir, dass ich doch niemals gesund
werden würde, wenn ich kein Fleisch essen wollte. Wie sonst sollte
ich all die benötigten Proteine für meinen Muskelaufbau bekommen.
Einige waren sogar etwas sauer auf mich, denn sie fanden meine
Einstellung kontra-produktiv für all ihre Bemühungen. Ich versuchte
sie alle zu beruhigen indem ich ihnen erzählte, dass ich viele Nüsse
essen würde, doch wirklich überzeugend war ich wohl nicht.
Aber
ich blieb hart, schließlich bin ich schon seit 33 Jahren ein
„eingefleischter“ Vegetarier und ich kannte all diese Sprüche
und Beschuldigungen nur zu genüge.
Ich
erinnere mich deswegen nur zu gut an das Gesicht meines Physio-
Therapeuten, der mich gegen Ende einmal wirklich erstaunt fragte,
wieso ich denn nur so sagenhaft schnell wieder auf die Beine kam, und
ich ihm dann ins Gesicht sagte: Tja, ich bin eben Vegetarier... !
In
der Rehaklinik traf ich auf viele ältere Patienten, die entweder
einen Herzinfarkt hatten, oder sich mit Krebs konfrontiert sahen. Ich
war immer so froh über meine Krankheit, denn ich hatte im Gegensatz
zu den meisten hier, wirklich gute Heilungschancen. Ich erholte mich,
im Vergleich, in einem rasenden Tempo. Viele waren wirklich neidisch
auf mich, und mir blutete oft mein Herz, wenn sie mir dabei zusahen,
wie ich „poco a poco“ wieder laufen lernte. Ich wusste, dass
viele von ihnen vielleicht niemals wieder laufen würden, und froh
sein mussten, wenn sie noch ein paar Jahre durchhalten würden.
Es
gab hier sogar noch einen Patienten mit Guillain-Barre-Syndrom. Er
war 6 Jahre jünger wie ich und schon ganze 7 Monate im Krankenhaus.
Er konnte kaum sprechen und nicht mal im Ansatz laufen. Schon in den
ersten Wochen überholte ich ihn mit meinen Fähigkeiten. Ich werde
den Tag nie vergessen, wie er mir dabei zujubelte, als ich meine
ersten Schritte ohne jegliche Hilfe schaffte, es war sein 42
Geburtstag. Ich weinte noch den ganzen Tag wegen ihm. Er tat mir so
unendlich leid.
Über
Silvester durfte ich für
4 Tage nach Hause. Das erste Mal seit 3 Monaten Krankenhausleben in
der großen Stadt Granada. Es tat mir und unserer Familie sehr gut.
Auch wenn mich all der Krach meiner Kinder noch sehr anstrengte,
spürte
ich auch von ihnen so viel Liebe. Sie wollten mich gar nicht mehr in
die Reha-Klinik zurückgehen
lassen.
Ich
bewundere meine Frau Claudia so sehr, mit welcher Ausdauer und guter
Energie sie den ganzen Laden schmeißt. Sie leistet echt ungeheuer
viel. Vor allem mit unseren beiden Kleinkindern.
Dabei
muss ich immer doppelt gut auf mich aufpassen, denn mein Innerstes
will ihr natürlich
dabei helfen so gut ich kann, doch ich darf meine eigenen Aufgaben
jetzt nicht aus den Augen verlieren: Nach Innen schauen anstatt nach
Außen, spüren was ich brauche und wie viel ich meinem Körper
zumuten kann. Und natürlich viel Üben,
Üben,
Üben....
Wieder
Zuhause:
Sie
haben mich schon am 18. Januar 2013 nach genau 103 Tagen aus der
Reha- Klinik entlassen. Ich konnte gerade mal eine Woche wieder
laufen. Ich habe meinen Rollstuhl einfach dort in der Reha Klinik
stehen lassen und bin nur mit einem Spazierstock dort raus gelaufen.
Ich nehme seit dem auch keine Medikamente oder Schmerzmittel mehr.
Claudia
kocht mir hier die ganze Zeit ein Lieblingsessen nach dem anderen.
Mir schmeckt es immer und ich futtere unglaubliche Mengen. So werde
ich die 10 Kg die ich in der Klinik verloren habe sicher sehr schnell
wieder drauf haben. Jetzt
habe ich nur noch 2 Mal die Woche ambulante Reha hier im “Centro de
Salud” in Orgiva. Der Arzt hier und die Physio-Therapeutin sind
auch super nett. Und einmal pro Woche kommt auch noch der Olli, ein
sehr erfahrener Physio aus Deutschland, der auch hier lebt mit seiner
Familie. Ich bin also in allerbesten Händen.
Ich
habe
schon wieder angefangen zu basteln, was mir sehr viel Spaß macht.
Doch nach wie vor habe ich nur sehr wenig Gefühl in den Füßen, und
das Laufen geht noch etwas wackelig. Meine Beine sind noch sehr
steif. Nachts plagen mich oft Muskel- und Gelenkschmerzen in den
Beinen und Armen, aber ich werte es als gutes Zeichen, denn es
bedeutet ja auch, dass sie jetzt wieder lebendiger werden.
Ich
traue mich sogar mit meinem Solar-Moped herum zu fahren, aber bisher
nur ganz langsam und behutsam. So komme ich jetzt schon ganz alleine
hoch ins Dorf zur Reha.
Ich
spiele wieder ein wenig auf dem Klavier und auf der Gitarre und ich
bastle auch schon wieder zusammen mit meinem Lehrling Milan. Es geht
also weiterhin steil aufwärts. Seit neuestem kann ich auch schon
wieder mit dem Auto fahren.
Ich
habe auch schon meine Ärzte und Krankenschwestern in der
Intensivstation auf der Neurologie und in der Reha besucht. Es war so
rührend, alle haben sich so sehr über mich gefreut, als wäre ich
ein guter alter Freund. Ich war der Liebling auf der Intensiv-Station
sagten sie mir dort, und alle sind sich einig, ich habe wirklich
richtig Glück gehabt, denn sie hatten auch schon andere Fälle mit
dieser Krankheit, die sich nicht so schnell wieder aufgerappelt
hatten wie ich.
Mitte
April war ich noch einmal da. Ich durfte diesmal sogar kurz in die
Intensiv-Station hinein und sah dort mein altes Bett (Nr.8) und diese
geniale Lungenmaschine stehen, die mir mein Leben gerettet hatte.
Übrigens ein Deutsches Fabrikat der Firma Dräger !
Danach
ging ich dort einfach hinaus, setzte mich in mein Auto und fuhr ganz
alleine für 3 Tage in Urlaub ans Cabo de Gata, jener Ort, von dem
ich dort einmal so schön geträumt hatte. Ja so werden manche Träume
wahr.
Es
scheint mir als hätte sich die Zeit für mich umgekehrt. Zuerst war
ich fast tot, lange Zeit Bettlägrig, dann im Rollstuhl, und dann
verließ ich das Krankenhaus etwa wie ein 90 Jähriger am Krückstock.
Bis heute fühle ich mich immer noch, ganz im Gegensatz zu vielen
meiner Mitmenschen, jeden Tag ein wenig jünger, kräftiger und
flexibler. Ich bin gespannt wann sich dieser Verjüngungs- Effekt
wieder umkehrt und ich mich dann so fühle, als ob ich wieder älter
werde.
Die
Spätfolgen:
Jetzt
sind mittlerweile schon 7 Monate seit dem Ausbruch der Krankheit
vergangen. Die ambulante Reha im „Centro de Salud“ ist, wegen der
vielen Patienten dort, schon beendet worden.
Ich
bin seit 2 Wochen also offiziell rehabilitiert und nun ganz auf mich
allein gestellt. Habe mir jetzt auch meine eigene Therapie
Kombination zusammengestellt: Fußreflexzonen- Massage, kognitives
Ergo- Training und möglichst viel Barfußlaufen.
Ich
habe mittlerweile eine Lebensqualität erreicht, die mich jetzt schon
immer öfter mal für ein paar Stunden meine Krankheit fasst
vergessen lässt. Wenn ich mich z.B. auf meine Arbeit konzentriere
oder vorm Computer sitze, bemerke ich meine körperlichen Beschwerden
nicht mehr wirklich.
Das
führte dazu, dass ich jetzt plötzlich sehr müde wurde mich
weiterhin mit meinem Körper auseinanderzusetzen. All die Monate habe
ich mich nur auf ihn konzentriert, habe jede Stunde mit ihm trainiert
und geübt. Und nun bin ich auf einmal so müde davon, ich bin
einfach Urlaubsreif von all dieser Körperarbeit.
Das
Taubheitsgefühl in den Füßen wurde in kleinen, kaum spürbaren
Etappen immer besser und ist mittlerweile etwa bei der 50% Marke
angelangt. Der Fußheber ist nach wie vor ein wenig schlapp und die
Beine nur noch ein wenig steif und geschwollen. Ich komme noch nicht
runter in die Hocke, bei dem Versuch schmerzen stark die Knie. Meine
Hände lassen sich immer noch nur unter Schmerzen zur Faust schließen
und die Bewegungsfähigkeit meiner Schultern ist vor allem nach
hinten hin sehr eingeschränkt. Des weiteren leide ich unter
schneller Ermüdung und geringer Streßtoleranz.
Nach
250 Tagen, also etwas mehr als 8 Monaten sehe ich mich das erste Mal
wirklich mit den Gedanken konfrontiert, dass mir meine Spätfolgen
jetzt für immer bleiben könnten. Der Genesungsprozess ist zum
ersten Mal wirklich für längere Zeit stagniert. Ich bekomme Angst,
dass es einfach nicht mehr weitergehen könnte. Doch genau diese
Angst treibt mich jetzt endlich wieder voran. Mit ihr kann ich jetzt
meine Therapie-Müdigkeit endlich überwinden und mein eigenes
Übungs-Programm wieder aufnehmen. Ich werde jetzt weiter darum
kämpfen wieder ganz Heil zu werden, werde wieder an etwas
Unvorstellbares glauben.
Noch
eine Woche, und es ist jetzt ein Jahr her dass ich ins Krankenhaus
gekommen bin. Noch immer sind meine Füße ziemlich taub, wenn auch
ein bischen weniger als noch vor einigen Monaten. Einige Wadenmuskeln
sind auch noch gelähmt, die Beine werden schnell müde und sind
allgemein noch etwas unbeweglich. Der Lagesinn ist noch nicht völlig
wieder hergestellt, und manchmal stolpere ich, oder bleibe irgendwo
hängen wenn ich über Hindernisse steigen muss.
In
die Hocke gehen schaffe ich auch immer noch nicht, und beim
Bergaufgehen schmerzen die Wadenmuskeln. Doch meine allgemeinen
Kräfte und meine Ausdauer wachsen immernoch langsam aber stetig.
Mein Nervenkostüm ist auch nochmal etwas stabiler und belastbarer
geworden. Leider plagt mich noch immer sehr die Therapie-Müdigkeit,
denn ich würde eigentlich gerne mehr Übungen machen als ich
hinkriege.
Zum Sinn
verdammt:
Viele
meiner Freunde haben mich schon gefragt, was ich denn darüber denke,
warum ich diese Krankheit bekommen habe. Ob sie für mich einen
tieferen Sinn hat, oder eine „Message“ an mich Selbst. Nun, wir
alle neigen dazu unseren Krankheiten eine Bedeutung zu geben.
Warum
bekam ich diese Krankheit ?
Was
habe ich falsch gemacht?
Was
muss ich jetzt deswegen ändern an meiner Lebensweise ?
Ja
oft erscheint es mir gerade so, als wären wir dazu verdammt, einfach
irgend eine Bedeutung zu finden, denn sonst ergibt all das Leiden für
uns einfach keinen Sinn. Vielleicht ist das Leiden ohne einen Sinn
noch schlechter zu ertragen. Doch manchmal leiden wir sogar mehr an
diesen Bedeutungen, als an der Krankheit selbst.
Je
mehr ich darüber nachdenke, desto mehr fällt mir dazu ein. Es ist
in der Tat schon so viel, dass ich angefangen habe es auf
verschiedenen Ebenen zu betrachten, um nicht ganz im Chaos zu
versinken. Und doch ist jede Interpretation wohl auch immer eine
Mischung von vielen Glaubens- Systemen und Bewusstseins-Ebenen. Hier
nur mal ein paar mögliche Beispiele von Glaubens-Systemen:
1.
Magisch
-
Krankheit als Vergeltung. Wenn ich zuviel Gutes erfahre, muss
irgendwann was Schlechtes kommen. Oder, ich tue mich besser nicht so
hervor, sonst passiert mir was Schlimmes.
2.
Katholisch
-
Krankheit ist letztlich die Strafe Gottes für irgendeine Sünde. Je
schlimmer die Krankheit, desto schauriger die Sünde.
3.
Karma
-
Irgendein ungutes Handeln in der Vergangenheit (früheres Leben)
reift jetzt zu einer Krankheit aus. Die Krankheit ist insofern
"schlecht", als sie für frühere Missetaten steht; "gut"
ist sie in dem Sinne, dass der Krankheitsprozess selbst für das
Verbrennen und Läutern der früheren Missetaten steht.
4.
Wissenschaftlich
- Worin die Krankheit auch bestehen mag, sie hat eine bestimmte
Ursache oder eine Gruppe von Ursachen. Einige dieser Ursachen sind
ermittelt, andere sind unberechenbare Zufallserscheinungen.
Jedenfalls hat die Krankheit keine Bedeutung oder gar einen tieferen
Sinn. Es gibt hier nur Zufall und Notwendigkeit.
5.
Schulmedizin
- Krankheit ist im Wesentlichen eine bio-physikalische Störung
aufgrund biophysikalischer Faktoren (von Viren über Traumata bis zur
genetischer Veranlagung und auslösenden Umweltfaktoren). Bei den
meisten Erkrankungen zerbricht man sich über psychologische und
spirituelle Behandlungsformen am besten gar nicht erst den Kopf, denn
meistens sind sie wirkungslos und verhindern eher, dass einem die
richtige medizinische Behandlung zuteil wird.
6.
Psychologisch
- Verdrängte Emotionen können Krankheiten verursachen. Die extreme
Form: Krankheit ist Todesverlangen.
7.
New
Age
- Krankheit als Lektion: Du legst dir selbst diese Krankheit zu, weil
du etwas Wichtiges durch sie zu lernen hast, um dann deine
spirituelle Entwicklung fortsetzen zu können. Der Geist allein
erzeugt die Krankheit, und der Geist allein kann sie heilen.
8.
Ganzheitlich
oder holistisch
- Krankheit ist das Produkt physikalischer, emotionaler, mentaler,
und spiritueller Faktoren, die nicht voneinander zu trennen sind und
von denen keiner ignoriert werden kann. Die Behandlung muss alle
diese Dimensionen berücksichtigen.
9.
Existenziell -
Die Krankheit an sich hat keine Bedeutung. Sie kann nur eine
Bedeutung gewinnen, wenn ich ihr eine gebe, und ich allein bin
verantwortlich für diese Entscheidung. Menschen sind sterblich und
endlich, und die einzige authentische Haltung gegenüber der
Krankheit besteht darin, sie als Aspekt unserer Endlichkeit zu
akzeptieren, auch wenn wir ihr eine persönliche Bedeutung geben.
10.
Gnostisch
- Krankheit ist Illusion. Das gesamte manifeste Universum ist ein
Traum, ein Schatten, und frei von Krankheit kann man nur sein, wenn
man aus dem Traum erwacht und die Eine- Wirklichkeit hinter dem
manifesten Universum entdeckt. Der Geist ist die einzige
Wirklichkeit, und im Geist gibt es keine Krankheit.
11.
Buddhistisch
- Krankheit ist ein unausweichlicher Bestandteil der
Erscheinungswelt. Die Frage nach dem Warum der Krankheit ist ebenso
sinnlos wie die Frage nach dem Warum der Luft. Geburt, Alter,
Krankheit und Tod - das sind die Kennzeichen dieser Welt, in der alle
Phänomene flüchtig, leidvoll und ohne Selbst- Wesenheit sind. Erst
in der Erleuchtung, dem reinen Nirvâna- Gewahrsein, ist Krankheit
endgültig transzendiert, denn dann ist die Welt der Phänomene
überhaupt transzendiert. (Quelle:
Ken Wilber, Mut & Gnade)
Hierbei
wird vielleicht deutlich wie stark unser eigenes Glaubens-System auch
bei der Bedeutungsfindung Einfluss nimmt. Und sicherlich auch, wie
sehr unsere selbst gewählte Bedeutung (oder Mischung von
Bedeutungen) den Genesungsprozess einer Krankheit beeinflussen kann.
Meine Vavoriten hier sind 8.+11.
Aber
nun gut, meine eigenen Interpretationen umfassen dagegen fünf
Bewusstseins- Ebenen:
Körperliche
Ebene:
Ich habe nie wirklich gelernt genug auf meinen Körper zu hören.
Doch meine Genesung erfordert sehr viel Körperbewusstsein. Wenn ich
es jetzt nicht lerne, werden mir unangenehme Überbleibsel
zurückbleiben, die mich immer dran erinnern und anspornen werden,
den Kontakt zu meinem Körper zu pflegen.
Emotionale
Ebene:
Ich wollte es immer allen recht machen, weil ich am liebsten von
allen Menschen geliebt werden wollte. Dabei habe ich mich oft so
verausgabt, dass ich sehr häufig über meine eigenen Grenzen
gegangen bin, ohne es zu merken. Die Krankheit war meine Notbremse,
um die Ruhe zu haben wieder zu mir selbst zu finden. Und ich werde
wohl solange nicht wieder voll belastbar sein, solange ich meine
innere Balance darin nicht ausreichend stabilisiert habe.
Rationale
Ebene:
Die Krankheit zerstört die Isolierschicht aller Nervenbahnen im
Körper. Dadurch entsteht sozusagen ein kompletter Kurzschluss im
Nervensystem, so dass die Signale vom Gehirn die Muskeln nicht mehr
erreichen und auch umgekehrt die Rückmeldungen vom Körper nicht
mehr zum Gehirn gelangen können. Und das geschieht mir..., dem
Solarmichel, der ja ständig mit Kabeln und elektrischen Strömen zu
tun hat. Diese Krankheit ist sozusagen einfach nur Standesgemäß für
mich, weil ich mich immer mit ähnlichen Dingen im Außen
beschäftige. Diese inneren Kabel brauchen jetzt eine Reparatur und
viel Aufmerksamkeit.
Soziale
Ebene:
Meine Krankheit hat mich wieder mit der Gesellschaft versöhnt, der
ich ja all die Jahre, so gut ich konnte, immer nur aus dem Weg ging.
Die Veränderung geschah einerseits dadurch, weil ich im Krankenhaus
so vielen netten, tiefen und aufrichtigen Menschen begegnet bin, die
dort wirklich gute und sinnvolle Arbeit leisten.
Aber
auch weil es so deutlich wurde, wie sehr wir uns in der Not auf all
unsere Freunde verlassen können.
Und
andererseits weil ich wirklich sehr froh darüber bin, dass die
Krankenkasse alle Krankenhaus- und Reha- Kosten übernommen hat.
Etwas, was ich alleine niemals hätte leisten können.
Spirituelle
Ebene:
Ich war reif für diese Erfahrung, die totale Hingabe an das Hier und
Jetzt von mir eingefordert hat, aber mir durch die Nahtoderfahrung
auch tiefe Einblicke in das Wesen der letztendlichen zeitlosen
Realität gewährte. Beides waren sehr wichtige Schritte meiner
spirituellen Entwicklung. Ich bin sehr gestärkt daraus
hervorgegangen und meine Erfahrungen werden mich sicher noch mein
ganzes Leben lang positiv begleiten und mir sicherlich sogar auch
meinen Tod erleichtern. Vielleicht werde ich dadurch auch einmal
Menschen die Angst vor dem Tode nehmen können.
Die
Veränderungen danach:
Erst
jetzt werden mir langsam all die Veränderungen, die durch meine
Krankheit entstanden sind, voll bewusst.
Erstens:
Das Wichtigste was ich daraus gelernt habe, ist die Gewissheit, dass
uns nichts von dem Eins-Sein (oder von Gott) wegreißen kann. Die
falsche Vermutung, wir könnten irgendwie von dieser Einheit getrennt
sein, ist vermutlich die Wurzel jeder Form von Angst im Universum.
Ich
weiß jetzt, dass ich mich nie wieder alleine fühlen werde. Ich habe
auch keine Angst mehr vor dem Sterben, denn ich weiß jetzt dass
nichts verloren gehen kann.
Zweitens:
Ich genieße das Leben mehr denn je und sehe vieles gelassener als
vorher.
Ich halte auch nicht mehr so sehr an den weltlichen Dingen und
inneren Dogmen fest.
Albert
Einstein hat es, in seiner einmaligen Genialität, einmal in zwei
wirklich tiefen Sätzen zusammengefasst: „Es gibt nur zwei Arten,
sein Leben zu leben: Entweder so, als gäbe es keine Wunder, oder so,
als wäre alles ein Wunder.“
Und:
„Ich muss bereit sein, das aufzugeben was ich bin, um zu dem zu
werden, was ich sein kann.“
Drittens:
Ich begreife jetzt auch, dass ich immer voll sauer war auf die ganze
Menschheit, weil sie auf unserem Planeten offensichtlich nicht
wirklich überlebensfähig ist. Diese Dummheit hat mich immer sehr
geärgert, denn wir haben in fast allen Bereichen ökologisch
nachhaltige Alternativen, die wir nur leider nicht nutzen oder
wirklich haben wollen. Warum nur reicht unser Bewusstsein denn nicht
aus !?
Ich
denke, die Liebe ist vermutlich für uns als Menschheit die einzige
Chance auf diesem Planeten längerfristig überleben zu können. Ohne
Liebe werden wir weiterhin nur alles zerstören können und erst wenn
wir gelernt haben nur noch mit dem Herzen zu sehen und uns all unsere
Untaten zu verzeihen, werden wir in der Lage sein damit aufzuhören.
Heute
nach meiner Nahtoderfahrung sehe ich auch das viel gelassener. Ich
sehe uns alle eher wie alternde Kinder, die es einfach noch nicht
besser wissen. Wir sind noch nicht so weit und so gesehen auch
einfach noch keine perfekten Wesen. Und doch sind wir trotz allem so
sehr liebenswert. Ich kann meinen eigenen Kindern auch nicht wirklich
böse sein, wenn sie irgendwelche Dinge kaputt machen. Sie wissen und
können es einfach noch nicht besser. Vielleicht stehen wir auch
eines Tages da und sagen dann ganz traurig: „Oh, Erde putt“. Wir
werden den Preis für unsere Umweltsünden bezahlen, und das ist dann
auch ok so.
Aber
solange wir am Leben sind, zählt zu aller erst das Leben selbst. Die
Gegenwart ist eben alles was wir wirklich haben. Und diese Tatsache
lässt mich jetzt irgendwie auch meine eigenen Fehler leichter
verzeihen. Bin
ich dadurch viel barmherziger und liebevoller geworden mit meinen
Mitmenschen und mit mir selbst.
Viertens:
Kollektiv
gesehen habe ich mich so oft schon gefragt woher nur unser seltsames
Interesse kommt, an all diesen finsteren Kino-Filmen über Tod und
Gewalt, oder über all diese nur denkbaren Weltuntergangs-Szenarien
und Horrorfilme die unsere Filmindustrie zur Zeit produziert.
Vielleicht
kommt unsere Mords-Lust daher, weil wir kollektiv betrachtet, schon
so viele unverzeihliche Fehler begangen haben, die wir uns jetzt
irgendwie nicht mehr vergeben können. Vielleicht denken wir
unterbewusst, wir haben es jetzt so verdient !? Ich meine, wir alle
wissen, dass wir mehr hätten tun können für die Umwelt, oder gegen
all die Lügen und das Leid in dieser Welt. Wir alle laufen doch mit
einem mehr oder weniger unbewussten Schuldgefühl herum.
Und
alle Medien und Umwelt-Aktivisten, die uns über all die Mißstände
informieren wollen, treiben uns doch nur immer tiefer in dieses
kollektive Schuldgefühl, das uns dann, wie alle Schuldgefühle auch,
so handlungs-unfähig macht.
Auch
hier wird sich ohne die Liebe nichts verändern können. Wir Menschen
haben schon so viel Schlimmes getan. Die Geschichte ist gepflastert
mit Leichen, Kriegen und Katatstrophen, Lug und Trug, Hass und
Gewalt. Wir leben heutzutage in einem Wirrwar aus Lügengebäuden in
dem selbst schon unser “gesunder Menschenverstand” ernsthaft
krank geworden ist.
Wie
können wir uns all das nur Verzeihen ?
Ich
meine Ja, denn wenn wir uns Menschen einmal mit bedingungsloser
Liebe betrachten, haben wir zwar wirklich schlimme Fehler begangen,
doch unverzeihlich sind sie nur, wenn wir nicht bald anfangen
wirklich ehrlich zu uns selbst zu sein und beginnen aus unseren
Fehlern zu lernen, bevor es dann wirklich mal zu spät ist.
Wir
sind doch nichts mehr als alternde Kinder, die was wirklich schlimmes
ausgefressen haben. Doch werden wir nicht trotz all dem sehr geliebt
?
Genau
so, wie es uns die wahren heiligen dieser Welt immer wieder gesagt
haben ?
Jetzt
haben wir die Wahl, und vielleicht wollte ja genau dies unser
Schöpfer, als notwendige Konsequenz des freien Willens den er uns
nun mal gegeben hat. Vielleicht will er damit nur sehen wie sehr wir
seine wundervolle Schöpfung achten und wertschätzen können ?!
Fünftens:
Meine Krankheitserfahrung war in vieler Hinsicht wie ein Katalysator
meiner spirituellen Entwicklung. Sie verstärkte in mir einen Effekt
den Ken Wilber so schön als „aperspektivische Verwirrtheit“
beschrieben hat. Es
ist, als würde ich immer sehr viele verschiedene Perspektiven
gleichzeitig einnehmen können, was natürlich oft sehr verwirrend
ist.
Auch
in dem Buch „Heilung im Licht“ von Anita Moorjani fand ich ein
paar wirklich gute Beschreibungen über diese pathologisch anmutenden
Effekte, die für mich aber mehr ein deutlicher Ausdruck von
spiritueller Weiterentwicklung sind:
Ich
merke, dass ich oft wegen Kleinigkeiten den Tränen sehr nahe sein
kann. In mir ist dann eine gewisse Traurigkeit, weil ich nun die
erstaunliche Schönheit und Freiheit in der Einheit aller Dinge
erahnen kann. Oft aber auch, weil ich sie nach einem Augenblick der
Freiheit und Einheit wieder hinter mir gelassen habe. Und
dann bin ich gleichzeitig glücklich und dankbar dafür, ich weine
Tränen des Bedauerns und der Freude zugleich.
Darüber
hinaus spüre ich gegenüber allen Menschen eine tiefe Verbundenheit,
wie ich sie noch nie zuvor empfunden habe. Aus mir strömt Liebe
zu jeder Person. Eine Form der Zuneigung die ich so noch gar nicht
kannte. Ich habe das Gefühl, mit allen auf tiefer Ebene
verbunden zu sein und alles zu erahnen was sie empfinden und denken,
fast so, als wären wir eines Geistes.
Und
paradoxer Weise habe ich gleichzeitig das Gefühl, zu niemandem in
meinem Umfeld mehr eine Beziehung herstellen zu können, oder genauer
gesagt, dass andere keine zu mir herstellen können.
Es
fällt mir schwer, mich auf Gespräche über Alltags-Begegenheiten
einzulassen. Meine Aufmerksamkeitsspanne scheint sich verkürzt zu
haben, und ich stelle oft fest, dass meine Gedanken in ganz andere
Richtungen wandern, sogar auch bei Unterhaltungen mit guten Freunden.
Ich
merke dass ich in gesellschaftlichen Situationen ruhelos und
ungeduldig werde. Ich kann nicht lange still sitzen oder mich auf
Gespräche über weltliche Routineangelegenheiten einlassen.
Mich
interessieren die Nachrichten, oder das was in der Welt der Politik
vor sich geht fast überhaupt nicht mehr, und selbst was meine Feunde
machen oder denken, lässt mich oft mehr oder minder kalt.
Nichts
fühlt sich mehr richtig wichtig an. Mir ist, als würde ich nicht
mehr zu den Leuten hier auf diesen Planeten und ihren Werten passen.
Meine Prioritäten haben sich geändert, und ich stelle fest, dass
ich an vielem nicht mehr interessiert bin was mich sonst sehr
interessierte.
Ich
habe das Empfinden, dass die meisten Leute nicht mehr fähig sind,
die Magie des Lebens zu sehen. Sie teilen oft nicht mein Staunen oder
meine enthusiastische Begeisterung über die Umgebung, und darüber,
dass wir einfach nur am Leben sind. Sie scheinen in ihre
Alltagsoutine verstrickt zu sein, und ihre Gedanken sind auf das
gerichtet, was sie als nächstes zu tun haben.
Oft
kommt es mir so vor, als hätten die Medien die Leute in
jahrzehntelanger Kleinarbeit schlußendlich nun wirklich verblöden
lassen und oft finde ich die Gesprächsthemen darüber nur noch wie
ein profanes und langweiliges wiederkäuen.
Mir
erscheinen alle Probleme nicht mehr so gross zu sein. Ich habe das
Gefühl, dass die Leute das Leben und ihre Probleme meistens viel zu
ernst nehmen. Ich möchte mich nicht mehr in all diese profanen,
kleinen Probleme und Belange verheddern.
Sechstens:
Wann immer ich Gespräche mit Freunden führe, merke ich oft, dass
meine Ansichten aufgrund meiner Veränderungen so radikal anders
sind, dass ich mich oft nicht mehr auf gewisse Themen einlassen
möchte.
Mir
wurde jetzt allmählich erst klar, dass meine Urteils- und
Unterscheidungsfähigkeit sehr beeinträchtigt ist. Ich kann keine
klaren Trennungslinien mehr zwischen Gut und Schlecht, Richtig oder
Falsch ziehen.
Auch
meine ganze Emotionalität ist nicht mehr so stark wie ich sie von
früher her kannte, manchmal denke ich, dass ich immer mehr
gefühlskalt und unnahbar werde. Für andere wirke ich sicherlich oft
sehr desinteressiert, alles geht einfach nur durch mich hindurch, wie
in einem leereren Raum in dem nichts mehr hängen bleibt. Meine
Persönlichkeit, oder besser gesagt, das für was ich sie immer
gehalten hatte, scheint sich ganz langsam ins Nichts aufzulösen.
Etwas was meinen Verstand zutiefst beängstigt, aber für den inneren
Beobachter als ganz normalen Entwicklungs-Vorgang eingestuft wird.
Bei
meinen sozialen Kontakten findet kaum noch eine wirkliche Berührung
statt. Bei Gesprächen tauchen keine Assoziationen, Bilder und
Urteile mehr in mir auf. Dadurch kann ich oft auch gar keine Reaktion
mehr zustande bringen, was für andere sicher oft sehr befremdlich
sein muss.
Das
führte jetzt langsam dahin, dass ich hauptsächlich für mich
alleine bleiben möchte. Ich habe kein Verlangen mehr, irgendwo
anders zu sein als dort, wo ich jetzt bin.
Jage
ich dem nach, wonach es mich verlangt, verstärke ich damit nur die
Trennung. Wohingegen das Zulassen, die Erkenntnis bedeutet, dass wir
alle eins sind, dass alles miteinander verbunden ist und dass das von
mir gewünschte immer schon mein ist.
Siebtens:
Mein Zeitempfinden hat sich um eine neue Referenz erweitert: Die
Ewigkeit. So vieles wird im Hinblick auf die Ewigkeit irrelevant und
bedeutungslos. Wer nicht mehr das Endliche fürchtet, der gewinnt ein
neues behagliches Vertrauen in die Unendlichkeit des Lebens und der
gesamten Schöpfung.
Meine
Eindrücke aus dem Jenseits decken sich ganz erstaunlich mit denen
aus der modernen Teilchenphysik, ganz besonders mit denen der neusten
Entdeckungen über das Quantenvakuum. Materie scheint (seit der der
Heisenbergischen Unschärferelation) nicht von konstanter Natur zu
sein. Ein Elementarteilchen kann plötzlich wie aus dem Nichts
auftauchen und auch wieder dorthin verschwinden. Es scheint sich
spontan wie aus einem dichten Informationsfeld herauszulösen und
wieder darin einzutauchen. Es nun wird vermutet, dass sich die
Informationen in diesem hyperdichten Quanten-Informationsfeld mit
Millionenfacher Lichtgeschwindigkeit ausdehnen könnten, und somit
einfach jede Information so gut wie im gesamten Universum verfügbar
ist.
Alles
kommt und geht aus diesem Quantenvakuum hervor. Materie scheint eher
eine art Manifestation des Geistigen zu sein als umgekehrt, wie so
lange vermutet.
Für
mich beweist das nur, dass die grundlegende Realität zeitlos und
ewig ist, und erst sobald sie sich in die Form der Materie
manifestiert hat, die Zeit und auch der Raum mit ihr erst entsteht.
Das
alles ist sicher sehr Abstrakt für die Meisten, doch mir wurde es
durch meine Erfahrungen als das klarste und einleuchtenste Bild der
Welt.
Und wem das einmal klar geworden ist, der unterscheidet dann gar nicht mehr so zwischen Gut und Böse. Freude und Leid sind nur die beiden Seiten der selben Medallie, so wie Lust und Schmerz, oder oben und unten.... Wenn ich also die Freude und die Lust liebe und dabei aber das Leid und den Schmerz zu vermeiden suche, dann nehme mich mir selbst die Tiefe, die ich dabei erleben könnte. Es ist wie im Regen spazieren gehen ohne dabei nass werden zu wollen, oder den Schnee zu lieben aber bitte ohne dabei frieren zu müssen... (Wake Up - Alanis Morrisette)
Wir sind alle
zeitlose Seelen, Fragmente eines größeren Ganzen. Wir sind nicht
erst in unserer Mutter entstanden, nein, unsere Herkunft liegt viel
weiter zurück. Selbst unsere Körper sind das Endergebnis einer
millionen Jahre langen Entwicklung. Und jeder einzelne Schritt ist
ins uns lebendig.
Die lebendig
gewordene Information unserer ureigenen Geschichte. Wir, die
sogenannte Krone der Schöpfung“ sind nur wie Kinder, die vom
Lebenshunger getrieben, ahnungslos und in spielerischer Unschuld
unseren eigenen Lebensraum verwüsten. Doch selbst das spielt keine
Rolle in Anbetracht der Ewigkeit um uns. Wir existieren und das ist
es was für immer zählt. Denn diese Existenz ist ewig und
unvergänglich, wenn auch nicht mit unseren Körpern. Er ist nur die
vorläufige Hardware die durch unsere Seelen-Software erst entstanden
ist. Ein Programm das gestarted wurde, vielleicht zur Freude am Genuß
an all den weltlichen Dingen und an all den spirituellen Erfahrungen.
Wir sind hier um
lieben zu lernen. Und erst wenn wir alles lieben können kann es für
uns weitergehen. Erst wenn es keinen Unterschied mehr gibt und wenn
wir mir allem Einverstanden sind, erst wenn wir aufhören zu
vermeiden und zu begehren, erst wenn wir in diese komfortable Ruhe
der Zeitlosigkeit zurückfinden, wird unser unermüdlicher
Lebenshunger wieder gestillt sein.
Nur wenn wir lieben
leben wir wirklich. Denn Liebe IST das Leben. Ohne Liebe gäbe es uns
alle nicht. Wer nicht mit dem Herzen sieht ist blind und gefangen in
diesen unzähligen Labyrinten des Verstandes, eine künstliche Welt
ohne wirklichen Wert. Alle was wir uns in unseren Köpfen vorstellen
ist nur wie ein Film auf einem nutzlosen Bildschirm, aber alles was
wir fühlen bringt uns einen Schritt näher zur Liebe. Und Im Herzen
aller Herzen sind wir alle eins, ein unteilbares, ein IN-DIVI-DUUM.
Es gibt nur immer ein und das selbe Ich im gesamten Kosmos. Ist das
denn so schwer zu verstehen?
Der ewige Wegweiser
auf diesem Weg der Liebe ist die Schönheit. Sie ist keine Übung in
schöpferischer Phantasie, sie ist die tatsächliche Struktur und
die wirkliche Natur des Universums. Schönheit weist uns immer zur
Liebe, sie strahlt uns ganz natürlicher Weise für immer aus allen
Dingen entgegen.
Die meisten Menschen
können diese Schönheit zunaechst nur in großer Kunst oder im
Anblick ihres Liebespartners erkennen. Doch immer versetzt uns die
Schönheit in eine zeitlose Beobachtung. Wir wollen es nur ansehen,
hören, schmecken, fühlen, erkennen.... nichts weiter. Und die Welt
um uns hört auf sich zu drehen, die Zeit bleibt stehen, wir
verschwinden darin, werden eins mit dem Objekt der Betrachtung,
finden zurück zum Herzen, wir verstehen, wir lieben, wir leben.
Mehr braucht es
nicht.....
Wenn
man mal mit dem Bewustsein lebt, dass alle Menschen im Grunde ihrer
Seele EINS sind. Dann bekommt alles einen ganz anderen Blickwinkel.
Das Mitleid verwandelt sich plötzlich in Freude über die Stärke
des anderen. Was nicht heißt dass kein Mitgefühl mehr vorhanden
wäre für all das Schwierige. Doch all das Schwierige ist dann nur
wie das Salz in der Suppe, ohne das das Leben nicht das Leben wäre
das es ist.
Ohne
all das Leid würden wir wohl keinen Unterschied mehr fühlen können
zu all der Freude die auch in uns ist. Erst diese Gegensätze
verdeutlichen uns diese Schätze an Gefühlen die wir erleben
können.
Etwas was uns im Jenseits nicht mehr möglich ist!
Etwas was uns im Jenseits nicht mehr möglich ist!
Und wem das einmal klar geworden ist, der unterscheidet dann gar nicht mehr so zwischen Gut und Böse. Freude und Leid sind nur die beiden Seiten der selben Medallie, so wie Lust und Schmerz, oder oben und unten.... Wenn ich also die Freude und die Lust liebe und dabei aber das Leid und den Schmerz zu vermeiden suche, dann nehme mich mir selbst die Tiefe, die ich dabei erleben könnte. Es ist wie im Regen spazieren gehen ohne dabei nass werden zu wollen, oder den Schnee zu lieben aber bitte ohne dabei frieren zu müssen... (Wake Up - Alanis Morrisette)
All
das Vermeiden wollen ist wie sich freiwillig in einen Glaskasten zu
sperren. Es tut so gut dem Leben zu verzeihen für alles was man hier
so durchmacht. Es tut so gut wenn man schlusendlich niemanden mehr
dafür beschuldigt. Es tut so gut einfach jeden Moment zu genießen,
egal ob er Freud- oder Leid-voll ist. Wir sind stark, wir nehmen
alles auf uns, solange wir können, einfach nur weil wir so sehr am
Leben festhalten.
Ich
denke dann manchmal auch an den Tod. Vielleicht wird uns im Moment
unseres Todes so viel aufgeladen dass wir es einfach nicht mehr
schaffen können. Das wir davon zusammenbrechen müssen. Und werden
wir es dann immernoch genauso annehmen können?
Oder
werden wir sehr wütend sein auf Gott, der uns damit doch nur heraus
helfen will? Das Sterben ist sicherlich meistens sehr unangenehm,
anstrengend und schmerzhaft, aber erinnern wir uns doch mal wie wir
alle hier her kamen. Jede Geburt ist sicher vergleichbar erschreckend
und doch zeigt sich auch hier, dass die große Angst davor oft
unangemessen ist.
Aber
jetzt sind wir noch hier, wir leben.
Es
kann wohl kaum noch ein größeres Wunder geben als all das?
Nachwort:
Das
Guillain-Barre-Syndrom (GBS) ist kein Zeitzeichen unserer
„Zuvielisation“ und auch kein Symbol für die Evolutionsstufe der
Menschheit wie z.B. Krebs. Der Krebs ist mittlerweile die
Todesursache Nr.3 nach medikamentöser Fehlbehandlung und
Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Krebs zeigt uns doch nur den Egoismus
des einzelnen gegenüber dem Ganzen und führt zum Ende von beidem.
Ein
GBS signalisiert nicht diese Unfähigkeit, den Sinn des Daseins zu
erkennen und zu leben. Auch ein GBS verändert ein Leben sehr, und ich
finde, zum Bewussteren und Positiven hin. Es ist wie ein kräftiger
Wachrüttler aus einem langen Dämmerschlaf.
Ein
Leidensgenosse, übrigens
ein berühmter Marathonläufer,
hat einmal über
diese Krankheit geschrieben, sie sei so selten wie ein Lottogewinn.
In der Tat, denn nur etwa jeder hundert- tausendste bekommt sie.
Und ich finde, sie
ist auch so kostbar wie ein Lottogewinn, denn zuerst nimmt sie dir
alles, nur um es dir danach Stück für Stück wieder zurück zu
schenken. Auf diese Weise wird sicherlich jedem bewusst, wie kostbar
das Leben mit all unseren Fähigkeiten ist. Wenn man mal von all dem
Leid absieht so ist GBS doch eigentlich eine ganz wunderbare
Krankheit !
Doch klar ist
natürlich auch: Die beste Krankheit ist nix.
Ich
jedenfalls konnte trotz allem Leiden sehr froh sein über mein
Schicksal. Ich hätte ja auch eine unheilbare Krankheit bekommen
können, wie z.B Multiples Sklerose, oder ein übler Krebs, bei der die Chancen auf eine
Genesung gar nicht so gut sind wie bei GBS.
Jeder Kranke
kommt früher oder später mal an einen Punkt, wo man sehr
niedergeschlagen wird, weil alle Lieben um einen herum dabei
natürlich auch sehr belastet werden.
Sehr viele
Menschen haben große
Schwierigkeiten um Hilfe zu bitten, wir wollen am liebsten immer
alles selber hinkriegen, mögen niemanden zur Last fallen. Für viele
ist es auch eine Herausforderung, weil sie nicht gerne im Rampenlicht
stehen.
Ich
bin eigentlich auch lieber eher ein Unscheinbarer, möglichst in
einer Nebenrolle. Doch mit einem GBS hat man plötzlich die
Hauptrolle zugeteilt bekommen, und das kann einen wirklich manchmal
überfordern. Aber der Mensch wächst durch Herausforderungen, wenn
er sie annehmen kann. In
diesem Sinne, an alle Patienten: Versucht es zu genießen!
Ich begriff,
dass meine Krankheit wie ein Stein war den man in einen See schmeißt,
und der große Wellen erzeugt die sich rings um mich herum
ausgebreitet haben. Alle die mich kannten waren sehr betroffen von
meiner Geschichte. Für viele war ich immer ein Inbegriff eines
natürlichen gesunden Lebens. Ich lebe in wunderschöner Natur als
Aussteiger in Spanien, bin Vegetarier, Nichtraucher, trinke keinen
Alkohol, keinen Kaffee und esse nur gutes Zeugs. Warum also gerade
ich....
Jedenfalls
haben sich deswegen alle Gedanken gemacht über die unvermeidliche
Vergänglichkeit des Lebens, und über Krankheiten und über den
Tod..... Und für viele war dies wie ein Wachrütteln aus dem
alltäglichen Trott des Lebens.
Ganz
besonders natürlich für meine Frau, meine Kinder, meine Eltern und
für meine besten Freunde, deren Leben ich durch meine Geschichte
erstmal total auf den Kopf gestellt hatte. Meine Frau kam faßt jeden
Tag den weiten Weg nach Granada um mich zu besuchen, meine Eltern
haben in Deutschland alles stehen und liegen lassen und sich in
Granada ein Hotel genommen um bei mir im Krankenhaus zu sein. Fasst
täglich bekam ich Besuch von irgend einen meiner Freunde, es war so
berührend und schön. Ich weiß nicht viele Kilometer für mich
in dieswr Zeit gefahren wurden... und beinah wäre all diese Aufmerksamkeit faßt
etwas unangenehm für mich gewesen.
Doch wie
auch für mich war es für alle auch ein Sprungbrett das ganze Leben
neu zu sortieren, neu zu erkennen um was es wirklich geht, die
Prioritäten neu zu setzen, jeden Tag bewusster zu erleben und zu
genießen. Nicht zuletzt auch weil ich trotz all meiner Leiden spürte
wie sehr ich am Leben hänge und wie kostbar das Leben selbst ist.
Ja,
und darum geht es hier doch, die Liebe zum Leben!
Eine
schwere Krankheit macht einen für andere immer auch zu einem Symbol
der Lebenskraft, der Heilung, des heldenhaften überwindens von
solchen tödlichen Krankheiten. Der eigene Lebenswille und die
außergewöhnliche Kraft zur Regeneration wird jetzt auch für andere
zu einem Leuchtfeuer in der Dunkelheit.
Man
spendet damit Hoffnung und Kraft für andere. Jeder der dich kannte,
wird auch dann wieder an dich denken, wenn er selber mal krank ist,
und das für alle Zeit!
Man
schafft hier also etwas Zeitloses, kreiert etwas sehr schönes für
die Ewigkeit. Und allein damit hat man schon sehr viel gegeben! Bitte
vergesst das nie! Es ist sehr viel wert, denn es ist wirklich etwas
sehr besonderes, was nicht jeder beliebige Mensch zu geben hat.
Und
ich denke, dafür können sich die anderen jetzt auch ruhig ein wenig
um einen kümmern. Die meisten tun das sogar sehr gerne! Es ist
nämlich schön etwas für andere tun zu können, wie es sicher jeder
auch schon selber erfahren hat. Und man gibt ihnen jetzt damit nur
eine Gelegenheit.
Mich
hat das mit so viel Dankbarkeit erfüllt, dass ich fasst davon
geplatzt wäre. Die Tränen kullerten mir sehr oft aus den Augen,
einfach so wegen jeder Kleinigkeit. Doch es war immer nur schön, für
mich und für die anderen.
Außer
für Isa, der erfahrensten Krankenschwester in der ganzen Klinik, die
konnte nie mit meinen Tränen umgehen, denn beinahe hätte ich ihren
harten Panzer damit zum schmelzen gebracht....
Jeder
nur so viel wie er eben kann. Das ist schon in Ordnung.
Also,
kurzum.... macht euch als Patienten bloß keine Sorgen um die
anderen, denn die machen sich ja schon genug Sorgen um euch. Und wenn
sie dann auch noch euch in Sorgen sehen müssen....
Sorgen
nützen wirklich niemanden. Sorgen sind hier doch eher wie sich
gegenseitig herabziehende Kräfte. Es ist damit sehr ähnlich wie mit
Schuldgefühlen, auch die nützen weder denen die sie ertragen, noch
denen weswegen sie einmal entstanden sind.
Seit
viel lieber dankbar um alles was euch gegeben wird, und diese Liebe
verdoppelt sich dann in jedem der die Freude darüber bemerkt.
So wird
alles viel schöner und von positiver Energie durchdrungen.
Und
das ist es was alle Lebewesen wollen.
Michel
Reaktionen
auf diesen Bericht:
Diese
Email bekam ich vom Chefarzt der UVI. Und ich freue mich sehr, dass
er mir die freundliche Erlaubnis gab, sie zu übersetzen und hier zu
verwenden:
Lieber
Solarmichel,
oder
wie es mir scheint nennt man dich in Orgiva: Miguel el Solar. Ich bin
Dr. José Pomares, einer der Ärzte, die sie auf der Intensivstation
betreut hatten.
Ich
habe gerade ihre Geschichte gelesen, wie Sie Ihre Krankheit in der
Intensivstation erlebten und ich bin wirklich sehr beeindruckt. Vor
allem weil die Patienten, die so einen kritischen Zustand überleben,
sehr selten die Fähigkeit oder den Willen haben, ihre Erfahrungen in
irgend einer Weise zum Ausdruck zu bringen.
Es
scheint mir, dass die meisten sich nicht erinnern wollen, was da
geschah, als würde es ihnen helfen zu vergessen, um sich besser
davon zu erholen.
Sie,
im Gegenteil trafen die Entscheidung, ihre Erfahrungen zu
kommunizieren und darüber zu reden wie wunderbar das Geschenk des
Lebens selbst ist. So oft im Leben beklagen wir uns über Dinge, die
wir nicht mögen, oder über das, worüber wir uns schlecht fühlen...
und dies macht uns unfähig diese wunderbare Gabe des Lebens zu
genießen. Jeder Tag ist ein Geschenk, an dem wir lieben und Gutes
tun können. Wir erwarten immer, geliebt zu werden, und wir vergessen
das Leben zu lieben.
Gott
segne Sie, ihre wunderbare Familie und ihre Freunde, die Sie lieben!
Diese
Email einer alten Freundin aus Berlin, die ungenannt bleiben möchte,
erreichte mich erst kürzlich. Ich habe sie hier stark gekürtzt:
Hallo
Michel
Dein
Bericht ist so ganz nah und so menschlich, dabei hast du echt
übermenschliche Dinge erlebt.
Du
vermittelst wirklich keine angstmachenden Szenen, und doch bleibt mir
ein Gefühl riesengrosser Angst zurück. Ich versuche noch
herauszufinden, was es ist...
Du
hast dich für das Leben entschieden! Wo ich selbst oft so gerne tot
wäre, und das werte ich ganz besonders. Ich hab grade das Gefühl,
allein dein Bericht kann für die, die es lesen, eine sehr grosse
Erfahrung sein, es kommt mir beinahe so vor wie ein psychedelischer
Trip, aus dem man sich alles nehmen kann, was man will.
Wahrscheinlich entdecke ich beim Lesen jedes Mal etwas Neues, und es
verändert meine Gedanken und das, was ich erlebe.
Meine Mutter, die mich in der
schlimmen Anfangszeit auf der UVI oft besuchte, schrieb diese Zeilen
hier für mich auf:
Es
war ein Schock ! Noch nie in meinem langen Leben hatte ich soetwas
gesehen. Der da lag war mein Fleisch und Blut -mein Sohn-, der fast
nie krank war, immer voller Tatendrang, lustige und liebevolle Augen,
und immer ein Lächeln auf den Lippen.
In
diesen Lippen, die ganz ausgetrocknet, kein Lächeln mehr hatten und
weit offen standen, steckte ein dicker Schlauch oder Stab, und dieser
wurde durch ein weisses Tuch von einem Ohr zum anderen festgezurrt,
als wollten sie ihn ersticken. Seine Grübchen an den Wangen waren
zusammengedrückt und gequetscht. Seine Augen sahen mich zwar an,
aber sie waren weit offen und ganz starr, ausdruckslos !
Ich
wollte ihn fest an mich drücken, das war aber nicht möglich,
überall an den Armen und Beinen war er verkabelt und es piepste,
surrte, summte, tickte aus allen Ecken des Raumes. Beide Hände waren
überall verklebt mit Pflaster und Schläuchen. Also konnte ich ihn
nur zart über den Kopf streichen, aber nur auf der Stirn, alles
andere bedeckte dieses festgebundene Tuch. Die Hände und Finger,
auch da überall Kabels, waren kraftlos und ohne Bewegung.
Ich
kam mir so hilflos und verloren und unendlich traurig vor. Ich hätte
am liebsten hemmungslos geweint. Aber ich musste mich zusammenreißen,
ich wollte doch meinen geliebten Sohn die Angst nehmen und ihn nicht
noch mehr aufregen.
Manchmal
waren seine Augen nicht ganz so starr, und ich meinte seine Augen
sagten mir: “So hilf mir doch !!”.
Und
ich konnte nur da rumstehen und nichts tun, was für eine
Grausamkeit. Am liebsten hätte ich mich da so hingelegt und das
alles auf mich genommen, was er da nun erleiden musste. Einfach nur
tauschen, da ich mein Leben ja schon gelebt habe und alt bin, aber
Michi hat doch das ganze Leben noch vor sich und zwei kleine Kinder,
die doch den ganzen, gesunden und fröhlichen, fürsorglichen Papa so
dringend brauchen. Ach wie ist das so ungerecht.
Es
war auch so schlimm, dass wir immer nur für ein paar Minuten bei ihm
bleiben durften. Da gab es einen langen Gang, da konnte ich dann
endlich lautlos weinen. Der Chefarzt, der den Michi behandelte, sah
mich da stehen und er nahm mich fest in den Arm, und sagte: Es wird
alles wieder gut. Das tat so gut.
Draußen
vor der Türe warteten schon die Enkelkinder und ich musste also
wieder sehr tapfer sein und nicht weinen. Einmal weinte ich doch, da
ich dachte die Kinder sehen mich nicht. Sofort fragten sie mich, ob
der Papa böse zu mir gewesen sei,
„ ...er
sei aber böse !“
Dann
habe ich es den beiden erzählt und wir haben dann alle drei zusammen
geweint.
Aber
einen Trost gab es immer, er wird eines Tages wieder gesund werden.
Diese Krankheit haben schon faßt alle Überlebt.
Lindi
Daniek
Fast
2 Jahre nach meiner Erkrankung erreichte mich diese (gekürzte) Email
von einer Schreiner-Kollegin:
Hallo Michel!! Schön von dir zu hören!! ...habe deinen Block grad nur ganz flüchtig angeschaut- das war zumindest der Plan. Ab der Beschreibung deiner Nahtoderfahrung wars mit dem
Vorsatz vorbei. Was ich beim lesen gespürt habe ist die Liebe, Grenzenlosigkeit und Weite die kommt wenn als du diesen irdischen Körper verlassen durftest- und aber noch viel mehr die Verbindung danach zu diesem Leben und deine Verwandlung damit. Ich bin gerade ein bischen überwältigt von deiner Erfahrung und davon, dass ich sie lesen durfte. Total schön finde ich auch die Sinn-Ebenen die du vorstellst unter denen deine Krankheit am Ende gesehen und gewertet werden kann - für mich fühlt sich Leben genau so an nach 4 Jahren der Reise in verschiedenen Kulturen: Was ist der Sinn des ganzen? Hm, ich spiele mit dem Standpunkt und der Ebene, alles relativiert sich, darf nebeneinander stehen bleiben, wird in jeder Form religiöus, wissenschaftlich,
dann wieder rational...
und wird am Ende respektiert aber keine Ebene für wichtiger auserwählt... Johanna