Marokko 2016
Mein-Marokko-Tagebuch
Gedanken
während einer 2100Km langen Motorrad Reise durch den Hohen und
Mittleren Atlas im Juli 2016
Ich blickte richtung Süden, sah neben mir mein Haus, meine Heimat,
das warme Licht, das aus den Fenstern heraus, dort die staubige Szene
beleuchtete. Dachte an meine Reise in die Wüste, die mir jetzt
bevorstand. An das viele Wasser hinter diesem Berg, das ich bald
überqueren müsste, um diesen anderen Kontinent zu erreichen.
Afrika, dort wo eine völlig andere Zeit wohnt, eine andere Welt gar,
fern unserer Heimat Europa, und doch so nah eigentlich.
Ja,
ich fühle mich schon wieder reif für die Wüste, freue mich auf
meinen wüsten Trip, auf eine weitere Zeitreise “auf der nackten
Rinde unseres Planeten”. Nur ein paar Tage noch, ein allerletztes
Mal der gewissenhaften Vorbereitung. Die letzten Kontrollen am
Fahrzeug, das mich bald zuverlässig durch all diese wunderbaren
Mondlandschaften tragen soll. Ich werde mein kleines Leben bald
dieser kleinen Maschine anvertrauen. Doch am Ende kann ich nur mir
selbst vertrauen und dem guten Mechaniker in mir. Hatte ich an alles
gedacht, oder vielleicht auch nur eine Kleinigkeit vergessen? Wird das
Material durchhalten, die Ausrüstung ausreichend sein.
Jeden Fehler
würde ich sehr sehr teuer bezahlen müssen, vielleicht sogar mit
meinem Leben. Und doch ist es das kleine bischen Freiheit, das wir
uns mit all dem zu ermöglichen versuchen, was uns Menschen immer
unseren Antrieb gibt.
Warum
sonst, sind wir denn auf den Mond gereist? Wir hatten dort nichts zu
suchen! Außer vielleicht dieses Freiheitsgefühl, unsere Erde einmal
von einem anderen Planeten aus betrachten zu können. So wie ich
immer so gerne unsere ganze verwunschene Zivilisation betrache, aus
dieser köstlichen Sicht der zeitlosen Ewigkeit in der Wüste.
Strich – Gedanken – Strich
So
ein GBS, oder jede schwere Krankheit, fordert wohl seinen Tribut.
Aber er kommt mir meistens gar nicht ins Gewahrsein. Man vergisst es
einfach, wie das Altern auch. Du denkst auch nicht daran, dass dir
das Altern etwas anhaben kann, und doch....
Erwischt
es dich kalt oder heiß, wie in meinem Fall vor jetzt bald schon 4
Jahren. Dieser Wüsten-Motorrad-Trip ist für mich ein weiterer
Triumpf meiner Heilung.
Seit
langem wiedermal bin ich in der Wüste allein mit mir selbst. Kein
Kindergeschrei, keiner mit dem man sich austauschen kann. Die
abgrundtiefe Stille hier zieht an meiner Seele, doch sie will sich
nicht ganz so leicht von ihr mitreißen lassen. Die Seele zögert
angesichts dieser endlosen Weite, die sich von hier aus buchstäblich
bis an den Rand des Universums erstreckt.
Es
ist die Kombination von der Weite und dem unermesslichen Alter der
Wüste, die hier wohl diesen Zauber auf mich ausübt. All diese
Steine, diese Berge, diese ganze Landschaft, dieser Planet, dieses
riesige All... All dies ist schon unfassbar alt.
Gegen
all diese milliarden Jahre, ist unser kleines Menschenleben nur wie
ein kurzer Augenblick. Vielleicht wie für uns ein Wimpernschlag.
Und
doch ist die Wahrnehmungsfähigkeit als solches etwas wahrlich
zeitloses. Etwas was nie angefangen hat, oder jemals beendet wurde;
ganz einfach: Weil sie nie -nicht- existierte.
Das
Wahrnehmen der Zeit ist endlos, also unendlich, darum außerhalb von
Zeit. Denn es ist dieser innere Beobachter, den wir alle ja so gut zu
kennen glauben, mit dem Nahmen: Ich.
Er
beobachtet die Zeit in uns allen. Nur er fühlt, ob es ihm lange oder
kurz erscheint. Und er steht immerzu da im Augenblick des Geschehens,
im Jetzt und Hier.
Ja,
hier sind wir und werden es immer sein. Die Wahrnehmenden des Lebens.
Und das gesamte Leben das uns auf diesem Planeten umgibt ist der
Ursprung dieses Bewusstseins in uns. Wir sind Teil dieses großen
Lebendigseins. Nur das wirklich besondere an uns ist, dass wir in der
Lage sind, eben das ganz bewusst zu spüren.
Wir
Menschen sind Erwachte, wenn wir es schaffen im ewigen Jetzt zu
verweilen. Einfach bewusst DA sein, egal was es beinhaltet. Es ist
das leichteste, natürlichste was in uns allen ist. Da-sein.
Dieser
Planet nimmt mit all seinen Lebewesen bewusst wahr.
Das
Leben, das einst angefangen hatte auf äußerliche Einflüsse zu
reagieren. Es hat sich so weit schon fortentwickelt, jetzt in uns, in
unseren schönen Körpern, mit denen wir so besonders gut und schön
wahnehmen können. Welch eine perfekte Kreation zum Erleben all
dieser ausgeklügelten Sinne! Einer würde schon genügen, Ich will
mich in die Diskusion gar nicht einmischen, ob es jetzt 6 oder 7
Sinne in uns gibt.... weil für mich nur zählt, dass es mehr als 3
sind und diese uns schon mit ausreichend vielen Stimmulationen
versorgen, dass wir gar nicht mehr nachkommen mit Wahrnehmen. So dass
viele Anteile davon schon zwangsweise ausgeblendet werden müssen.
Und
eben, hier schließt sich dieser, zugegeben sehr weit gezogene
Gedanken-Kreis, bis hin zu dem Tribut eines GBS und dem Vergessen des
Alterns. Wir alle altern, sind körperlich ans Zeitliche gebunden,
aber vergessen wir nicht nochmal zu erwähnen, im Geistigen sind wir
das eben nicht.
Daher
rührt wohl unsere tiefste aller Ängste: Bei der Verwechslung von
Körper und Geist. Der Geist ist unsterblich weil er exitsiert für
immer im zeitlosen Jetzt. Das Ich, um mich zu wiederholen, ist immer
schon da.
Nicht
so der Körper. Er kommt und vergeht. Doch von ganz oben betrachtet
ist auch er nur im ewigen Wandel durch Raum und Zeit. Welche in der
geistigen Welt auch so nicht existieren. Dort gibt es keine Zeit und
dadurch auch keinen Raum. Raum gibt es nur durch die Zeit und der
Materie zusammen. Zeit ohne Materie könnte nichts verändern. Es
braucht die Materie um Zeit überhaupt feststelllen zu können. Denn
die Materie verändert sich unaufhörlich. Nichts bleibt wie es
einmal war. Und genau das definiert die Zeit. Ob sie lang oder kurz
ist wird allein nur durch Materie bestimmt. Und wo keine Materie ist,
ist auch keine Zeit. Im Geistigen ist keine Materie, also auch keine
Zeit. Ist doch logisch, glaub mir es stimmt!
Das
Geistige ist zeitlos und damit ewig!
Ließe
sich dadurch nicht endlich diese alte Angst dabei ertappen ganz
völlig unnötig zu sein!? Die Angst ausgelöscht zu werden, zu
vergehen, sein geliebtes heiligs ICH zu verlieren, oh weh! Doch ein
ICH verliert man nicht. Wohin sollte es auch gehen? Denn bewieserner
Maßen gibt es im Zeitlosen keinen Raum. Also nirgens wohin das ICH
hingehen könnte. Das Ich ist und bleibt zeitlos und ist auch ohne
Raum. Eigentlich logisch und ganz einfach, oder?
Woher
kommen wir, wo gehen wir hin? Aus jedem Augenpaar sieht uns das ewige
Sein entgegen. Die leuchtende Blüte des Lebens, gefangen in der
Zeit.Aber doch immer zeitlos verbunden durch unsere liebenden Herzen.
In der ewige Glut und Freudenfeuer lodern. An das Leben, das einzige
das uns geschenkt. Behutsam, kostbar gar,denn unser aller Tage sind
gezählt,, angefüllt mit ewigem Sein.
Liebes-Augen-Blicke
Ein
kleiner Buss hält in der Nähe und spuckt eine kleine Familie aus.
Oh welch süßes Kindergeschrei, das macht mich richtig süchtig! Ich
will eigentlich hingehen, die Leute sehen, mal wieder in andere Augen
blicken, mit ihnen zusammen sein. Es ist die Liebe, die uns
zusammenführt. Die Liebe zum Geschöpf, zur Kreatur. Wie auch die
Liebe zur Kunst, die wir vielleicht gut kennen.
Auch
die Liebe haben wir alle gemeinsam. Weil sie in uns allen ist.
Und
was ist noch in uns allen?
Richtig!
Das ICH
Währe
es nicht naheliegend sich dann mal zu fragen, was das ICH und die
Liebe vielleicht gemeinsam haben? Allein schon deswegen, da wir sie
ja alle gemeinsam in uns haben!
Jeder
der liebt, oder einmal geliebt hat, weiß dass auch die Liebe etwas
zeitloses ist. Auch sie ist ewig. Und sie ist in ausnahmslos jedem
von uns.
Wir
lieben mal das eine oder das andere, oder auch nur uns selbst. Aber
es liebt für immer nur im Hier und Jetzt. Darum ist die Liebe auch
genauso wie das ICH für immer da.
Je
genauer wir die Liebe und das ICH einmal betrachten, desto mehr
stellt sich heraus, dass wir hier ein und die selbe Sache nur von
zwei Seiten her betrachten. Die Liebe und das ICH sind im Grunde
eins. Weil allein schon dort wo sie existieren, ist gar keine Distanz
möglich!
So
wie für uns Menschen ein Berg genau da bleibt wo er ist. Wir können
ihn von verschiedenen Seiten betrachten, und er mag immer
unterschiedlich aussehen, doch er bleibt immer ein und der selbe
Berg. So ist auch unser Leben wie eine Bergwanderung: Vielfältig,
verspielt, anstrengend, aussichtsreich, verführerisch, mitunter
gefährlich und irgendwann vielleicht auch mal tödlich. Aber wir
alle bleiben immer bei diesem Berg.
Und
der Berg sind wir! Das ICH in uns und die Liebe. Das ewige Sein in
uns.
Ohne
die Liebe würde nichts zusammengeführt werden. Ohne die Liebe wäre
auch kein Leben entstanden. Die Liebe ist die Kraft, die alles zum
Besseren hin führt, zur Weiterentwicklung, oder wenigstens zur
Wiederholung. Die Liebe macht immer dass es weiter geht. Ohne die
Liebe kämen wir nirgendwo hin. Auch das Leben würde nicht
weitergehen. Und mit ihr würde auch das Wahrnehmende aussterben.
Also ist die Kraft, die hinter all dem Leben steckt, die Liebe
selbst. Wir sind also das Leben. Unser Ich ist das Leben, unsere
Liebe ist das Leben.
Liebe
– Leben – ICH ---- alles ein Ding!
Ist
doch wirklich nicht so schwer oder?
Wer
ist nicht gerne auf diesem Planeten? Hier gibt es solch ein Vielfalt,
dass wir garantiert auch etwas zum Lieben finden können. Und sei es,
dass wir nur unsere Ruhe suchen. Wir suchen, wir finden, egal was
immer es auch sein mag. Wir sind entweder in freudiger Erwartung,
oder im erfülltem Glück des Besitzens. Oder wir leiden an Mangel
und beginnen erneut eine Suche. Die Liebe ist spielerisch, sie
probiert alles aus, sie will das eine und das andere gleichzeitig
sein. Genau darum versucht die Liebe alle Dinge zu verbinden.
Vielleicht ist das die wahre Antwort auf das WIE aller Dinge.
Ich
z.B. Liebe es Dinge zu bauen, seien es Häuser oder Maschinen. Ich
liebe es mich in mein Auto oder auf mein Motorrad zu setzen, oder in
meinem Haus im Winter den Ofen anzumachen. Ich liebe alle, die mir
nahestehen und ich fühle mich als Teil eines größeren Ganzen, in
dem jeder seinen Platz findet.
Jammerstunde
Eigentlich
bin ich jetzt schon total kaputt. Natürlich auch von vielen Fahren.
Gestern 250Km mit viel Sonne und Hitze (bis zu 43 Grad) und einer
sehr anspruchsvollen Strecke. Ich laufe viel zu wenig wegen all
dieser Strapazen. Alles ist Mega einseitig. Tagsüber auf dem Sattel
sich den Arsch halb taub sitzen. Wie gut dass ich ein wahrer Profi
darin bin Sitzschmerzen zu ertragen.
Und
Nachts dann lange liegen, wegen dem hellen abnehmenden Mond oft auch
wach werden und alle 4 Schlaf-Himmels-Richtungen (Rücken, Seite,
Bauch, andere Seite) jeweils bis zur Schmerzgrenze durchgelegen...
Teilweise morgens sehr kalt (heute 14 Grad!).
Jedenfalls
die Glieder schmerzen. Ich fühl mich wie etwa 10 Jahre (vieleicht)
älter als sonst. Vermisse es sehr angenehm und bequem sitzen zu
können. Bastel mir notdürftige Sofas mit der Isomatte und diversen
Kleidungsstücken, doch ein wirklicher Ersatz für das zerfetzte rote
Prachtstück Zuhause ist es leider doch nie. Beuemlichkeit wird mir
hier zu einem echten Bedürfnis. Alle Begegnung mit der Welt
erscheint mir so hart und spitz und schmerzvoll. Nur das Wasser ist
einem noch gnädig, es umschmiegt nach wie vor weich und erfrischend
meine müden tauben Glieder. Aber sie gehen noch.
Auch
die Augen, die beim lesen mittlerweile schon recht schnell an ihre
Leistungsgrenze kommen, sind gerade noch gut genug für mein
Unterfangen. So viele Schlaglöcher, Sandfallen, Schottergräben und
abgerissene Straßenkanten. Dazu das wilde manchmal unerklärliche
Verhalten, und nach exotischen Reglen handelnder, afrikanischen
Verkehrsteilnehmer.
Selbst
die Finger der linken Hand schmerzen schon vom vielen Kuppeln.
Ja
ich jammer mich gern mal aus, ich weiß. Ich finde es aber auch mal
schön zu jammern. Es tut mir gut. Es tut meiner Seele einen
Gefallen. Es ist der jaulende Wolfs-Schrei, der das große Leid in
der Welt hinausschreit. Ist es denn nicht auch irgendwie anrührend?
Für
mich trägt das Leid der Welt einen Rucksack auf seinem Rücken, den
man meist zuerst nicht sieht. Dieser ist angefüllt mit
Barmherzigkeit, auch mit Glück und Herzensfreude, mit angenommen
sein, Einssein, oder “einfach Zuhause”. (Wie es Annika für sich
immer so schön formuliert).
Oh
welch ein Glück auch meine liebe Familie. Diese Keimzelle des
Lebens. Jetzt ein Teil auch von mir und meinem Leben. Ich hab mich
noch nie so geborgen gefühlt wie in meiner Familie damals als
kleiner Junge und jetzt auch als Vater. Und ich bin ein alter Vater,
nach allem was mir widerfuhr. Doch noch gehe ich an meine Grenzen,
ich dehne sie noch mit viel Eifer immer weiter aus. Auch wenn der
Aufwand jedes Mal mehr wird um das halten zu können was man hatte.
Es wird einem aber trotzdem alles verloren gehen.... Oh, hatte ich
nicht doch vorhin schon aufgehört zu jammern?
Sonne,
Wind und Wärme
Die
Sonne rückt immer höher und mir damit immer näher, meine
Schattenzeit an diesem Ort wird schon knapp. Bald werde ich mich
wieder auf den Sattel meines “Burro con Ruedas” setzen und den
neuen Abendteuern des Tages entgegen rauschen. Unterwegs sein, ein
sehr wohlbekannter Luxus aus meinen früheren Tagen. Immer wieder
genial und so schön. Der rote Motor unter mir, der mir schon wie zu
einem eigenen Muskel wurde, ein ziehen am Gaszug und vorwärts gehts.
Weiter und weiter, mühelos und rasant schnell. So schnell dass der
Wind fast wie durch einen hindurch bläst. Eine Luftdusche die
erquickt, und mit der ich selbst 35 Grad noch als kühl empfinden
kann.
Sie
wird erst bei 40 Grad wie zu den heißen Quellen, oder wie zur
Badewanne (die letztere noch nicht kennen).
Bei
45 Grad dann, und teilweise sicher auch mehr, wenn sich Warmluft in
einer Ecke angestaut hat, und zusammen mit der brütend heißen
Sonne, wird es wie in einer Sauna, bei der so ein übereifriger Idiot
schon wieder zu viel Wasser aufgegossen hat, und man nach Luft
ringend nur noch darauf wartet, bis alles endlich wieder erträglicher
wird. Doch Gottseidank sind es immer nur wenige Stunden am Tag an
denen es gelegentlich so heiß ist.
Ein
Unwetter
Der
Anblick des großen runden Sees kam so überraschend hinter einer
Kurve. Sein Wasser ist unfassbar türkisblau und er starrt wie ein
großes rundes Auge in den Himmel, in dem es sich ein paar weiße
Wolken bequem gemacht hatten. Das Wasser war nicht einmal kalt, und
ich badete gleich zwei mal hintereinander, was meinem Körper sehr
sehr gut tat. In den nahen Bergen weiter südlich grollte ferner
Donner. Das Gewitter kam aber immer näher und schon bald fielen die
ersten Tropfen vom nun schon unheilvoll finsterem Himmel. Ich tat mit
Begeisterung, was ich mir für meine Wüsten-Tour niemals ausgemalt
hätte, einen Regenspaziergang. Doch aus Spass wurde bald schon
Ernst, denn es goss plötzlich heftig wie aus Kannen. Die neue
Regenjacke bekam ihr erste Taufe und ich beschloss so schnell es ging
das Motorrad hoch zur Straße zu bringen und mich in einem dieser
Rohrbrücken zu verkriechen bis es aufgehört hätte. Doch es hörte
nicht auf. Ich fand mich bald völlig durchnäßt und zitternd vor
Kälte in einer engen Betonröhre kauernd, durch die auch noch ein
eisig kalter Wind pfiff. Zu allem Überfluss kamen jetzt von zwei
Seiten auch schon kleine Bäche angerauscht, die zwei der drei Röhren
der Brücke in Beschlag nahmen. Auf das Schlimmste gefasst versuchte
ich, in einer kurzen Regenpause, mit Steinen und Sand einen
mickerigen Wall zu errichten, der mich die letzte noch trockene Röhre
vielleicht noch etwas länger behalten lassen würde. Denn es sah
nicht so aus, als wolle es heute noch aufhören zu regnen, etwas was
ich sonst eigentlich nur aus Deutschland her kenne. Also machte ich
mich mit dem Gedanken vertraut die Nacht in dieser Röhre zu
verbringen. Oben auf der Brücke tronte mein Motorrad, dem Wind und
Regen ausgesetzt. Aber ich verkroch mich unten in die noch trockene
Röhre, wenn auch der eisig kalte Wind mit nur 15 Grad mir dort sehr
zu schaffen machte. Ich zog einfach alles an, was ich mitgenomen
hatte, schlüpfte in meinen Schlafsack, und fing an genau das hier
aufzuschreiben, in der Hoffnung auf besseres Wetter und Wärme, vor
der ich mich zu beginn meiner Reise noch so gefürchtet hatte. Abends
um 7 kam dann doch noch in wenig die Sonne zum Vorschein. Was mich
gleich ermutigt hatte, die 18 Km ins nächste Dorf zu wagen und mich
nach einem Hotelzimmer umzusehen.
Ich
hab in dieser Nacht sehr Warm und weich geschlafen, morgens richtig
heiß geduscht und bin gut präpariert in den nächsten Tag, an dem
auch schon wieder die Sonne lachte.
Ein
Paradies im Patriarchat
Was
ist das für ein Land, in dem kein schlechtes Wort über den König
gesprochen werden darf. Es ist tatsächlich strickt verboten. Der
König ist hier der Boss und alle akzeptieren das wortlos. Doch
vielleicht existiert auch hier im Untergrund eine systemkritische
Szene. Wer weiß, man sieht jedenfalls nur die alles verherrlichende
Werbung für den König.
Dazu
muss man sich vorstellen, dass Frauen hier leider immernoch als
minderwertig gelten. Sie haben hier im gesellschaftlichen Leben
eigentlich nix zu suchen. Alles Geschäftliche, Lokale, Autofahren
und Entscheidungs-Einrichtungen inkl. der Polizei sind fast
ausnahmslos männlich. Nur an der Landesgrenze sah ich ganz erstaunt
weibliche Beamte in Uniform, die aber scheinbar nichts anderes zu tun
hatten, als sich dort selbst zur Schau zu stellen und dementsprechend
wichtig und respektvoll auszusehen.
Nur
die Berber scheinen ihren Frauen die Zügel etwas lockerer lassen zu
können. Hier sehen die Frauen auch wirklich so schön und schlank
aus, dass mann sie wirklich nicht verstecken muss. Hier blickt man
oft in unverschleierte Gesichter und hin und wieder sieht man sogar
eine Frau in Jeanshosen. Offene Haare leider aber nie.
In
Ilmichil und in den langen verspielten Tälern des hohen Atlas
scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Es wurde gerade die
Getreideernte eingebracht. Alle waren hier am mithelfen. Alles musste
sehr schnell gehen, denn ein weiter Gewitterregen drohte. Überall
Esel dick bepackt, Frauen und Mädchen auf den Feldern beim ernten.
Die Jungs beladen die Esel und die Männer bringen es dann nach Hause
zum trocknen und dreschen. Einträchtig und in Harmonie geht hier das
Leben noch vonstatten. Es wirkt paradiesisch und wie noch aus einer
anderen Zeit, als die Welt noch unschuldig und gut war, wenn sie das
jemals gewesen ist.
Im
Cafe
Heute
wurde ich von einer schwarzen Wolke gejagt. Sie zog mir vorraus oder
hinterher auf meinem Weg nach Osten durch den Hohen Atlas. Fuhr ich
zu langsam, fing es gleich an zu tröpfeln, fuhr ich zu schnell
pratzte mir wieder die Sonne auf die Haut. Jedesmal wenn ich
pausierte, für ein Foto, einen Snack oder einen Schluck Wasser,
holte mich diee Wolke wieder ein und trieb mich schnell weiter mit
ihren bösen kühlen Winden eines nahenden Gewitters. Etwa um 4 wurde
ich dann von weiteren Gewittern auch von vorne her eingekreist und
ich ließ mich entmutigt in einem Straßencafe zu einem Tee
überreden. Die Zeit war mir gnädig, denn die Gewitter verschwanden
nach ein er Weile einfach, genau wie sie gekommen waren.
Das
Motorradfahren ist eine schlimme Sucht. Die ganze Fahrt war
unbeschreiblich schön. Ich war sehr oft einfach 100% im Glück, fand
mich so völlig mühelos von einer atemberaubenden schönen Ecke zur
Nächsten rollen. Und es konnte für mich mal wieder nichts schöneres
auf Erden geben.
Ja,
selten sind sie manchmal diese absoluten Glücksgefühle. Doch sie
geben einem Nahrung für nicht ganz so gute Zeiten. Heute jedenfalls
hatte ich alles abgesahnt. Es gab hier genug Wüste und Weite zum
verschwenden. Die pure Schönheit der Natur im Übermaß. Diese ewig
verspielten Flusstäler in denen Wasser die Landschaft verzaubert und
zu einem Garten-Eden verwandelt. Gesegnet die, die hier leben und
einfach von Mutter Natur ernährt werden.
Das
Cafe war ein Glücksgriff. Der Ort ein Umsteige und Umschlagsplatz
wie aus dem Bilderbuch. Ständig haltende alte Fahrzeuge, mit etwa 10
hineingestopften Fahrgästen, die sich dann direkt vor dem Cafe an
einem öffentlichem Wasserfass gütlich taten. Familien mit Kindern
und Koffern geduldig am warten, bis der richtige Merzedes-Bus kommt.
Zwischendurch wieder Stille, nur die ewig herumlungernden Beobachter,
die in Gepräche vertieft oder stumm herumsaßen. Der Nieselregen
hörte auf und ich werde versuchen weiter zu kommen, die wärmende
Tasse “Whisky de Maroc”, dem berühmten Pfefferminztee des
Landes, tat mir wohl im Bauch. Oder sollte man besser dazu sagen:
Diese endlos süße Zuckergrütze mit Teegeschmack !?
Die
Einsamkeit einer Ebene
Der
Geist des Menschen hatte den Himmel als Dach und die Erde als
Boden,
und nichts hatte einen Namen. Es gab weder Tag noch Zeit, es gab kein Ende und kein Anfang,
aber alles war pure Intensität.
und nichts hatte einen Namen. Es gab weder Tag noch Zeit, es gab kein Ende und kein Anfang,
aber alles war pure Intensität.
Der
Geist des Menschen war das Haus der Welt, und alle Dinge waren seine
Freunde.
Jedes
Geschöpf lebte in diesem Haus, alle Wesen waren ein einziges Leben.
Als der Mensch das Worte entdeckte sagte er: Du bist Erde und du bist Wasser, du bist Feuer und du bist Luft, und er gewann damit Macht über Dinge und wurde im Laufe der Zeit von ihnen getrennt
Die Dinge in der Welt gingen immer weiter fort von ihm, bis er ganz mit Nostalgie angefüllt war.
Und damit kam er dazu zu verstehen, dass Worte nur Schatten sind. Eine Aufführung von Schatten in seinem Verstand. (Aus einem schönen Film auf Youtube)
Unsere
Ebene bei Rich, die uns als Familie schon so ans Herz gewachsen war.
Sie empfing mich heute mit den letzten schwachen Sonnenstrahlen
dieses ereignisreichen Tages und mit einem samtig warmen Sahara-Wind
tief aus dem heißen Süden. Ich riss mir die Kleider vom Leib um
diesen Schirokko überall an meinen Körper heranzulassen. Noch in
der Dämmerung lag ich noch fast nackt auf meiner Matte, genoß diese
zährtliche Berührung.
Und
am nächsten Tag, hier mitten in der Einsamkeit, bei einem
Spaziergang zur 4Km entfernten Wasserstelle, kam da ein einheimischer
Fahrradfahrer, der mich auf französisch fragte ob´s gut geht? Ja,
alles klar, alles bestens, Danke....
Und
weg war er auch schon wieder.
Selbst
hier bist du nicht wirklich allein, wenn du mal Hilfe brauchst. Doch
die Sonne peitscht, die Temperaturen klettern jede halbe Stunde um
ein Grad weiter hoch. Noch gibt es ein paar Schattenplätze, aber
bald nur noch unter meinem Segeltuch. Es trieb mich weiter, ich
brauchte dringend Fahrtwind, und beschloss eine Piste quer durch die
Ebene auszuprobieren.
Ich
war fast ein wenig entrüstet, denn man hat hier selbst in der
abegelegensten Mondlanschaft volles Brett Empfang mit 3G Internet.
Das wirklich tolle an diesen Smartphones mit Whatsapp ist, dass es
wie zu einer Familie für dich werden kann. Es piepst und quiekt und
ständig will es etwas Aufmerksamkeit von dir. Es ist immer dieser
Ruck von Außen der uns ständig stimmuliert und welcher auch das
besondere an einer Familie ausmacht, nach dem man übrigens
schrecklich süchtig werden kann.
Doch
eine weiter Sucht wurde mir auch mein Wüsten-Esel (Desert-Donkey)
abgekürtzt einfach: De-Do, Dedo wie der Finger, weil er mir schon
wie zu einem eigenen Körperteil wurde. Mein Dedo brät da unten in
der Sonne, dahinter ebenes endlos weites Land umrahmt von kahlen,
schroffen Bergen. Wie eine Mondlandschaft.
Nach
45Km Piste, musste aufgeben der Weg wurde einfach immer schlechter
und es war erst die Hälfte bis zu einer anderen Teerstraße. Also
alles lieber wieder zurück damit der Dedo nix schlimmes abbekommt
und mal die heißen Quellen in der Nähe ausgecheckt. Wow! 46 Grad,
du kriegst die Füße keine Minute da hinein. Es beißt und die Haut
wird sofort rot. Unfassbar wie sich da nur die Leute einfach
reinlegen können. Sie sind wirklich hart gesotten, die Marokkaner,
was Hitze angeht.
Der
Schirokko bläst die heiße Saharaluft noch immer hoch in die Berge
(1400m). Eine Gewitterfront verdeckt nun wieder die glühend heißen
Sonne. Donnergrollen rumpelt durch die Stille. Ein paar eher
symbolische Regentropfen schaffen es den Boden zu erreichen, bevor
sie auch dort gleich wieder verdampfen. Doch bei einem heißen Wind
verfliegt sogar meine alte Angst klatschnass zu werden im Regen. Im
Gegenteil, die ganze Seele sehnt sich hier nach einer Abkühlung.
Das
Gewitter schlägt nun dem Schirokko ins heiße Gesicht. Mächtige
Winde schleudern verirrte Regentropfen kilometerweit, die Spannung in
der Luft steigt. Wird sie sich hier entladen, oder nur weiterziehen?
Die
Stille und der Tod
Ich
mag Musik bei der man noch die Stille dazwischen hören kann. Es gibt
sie, die Musik aus der Stille, die wie aus dem Nichts heraus zu uns
sprechen kann. So wie auch unsere Gefühle (ja, unser ganzes Sein)
scheinbar immer aus einem Nichts in uns auftaucht, plötzlich einfach
Da ist.
Bewusstsein-
das wohl unerforschste und am Ende das unerforschbare schlechthin. Es
ist für mich kein bischen weniger faszinierend als der Tod. Aber
wieso muss immer der Tod als das Gegenteil vom Leben herhalten? Denn
der Tod ist eher wie die Stille hinter der Musik, ohne sie könnte es
gar keine Musik geben.
Der
Tod ist viel mehr als nur das Gegenteil des Lebens. Das Leben ist so
klein und vergänglich und zerbrechlich gegen das Nichts, gegen das
“Alles” vor unseren Nasen, das sich immer bis hin zur
Unendlichkeit erstreckt. Die Stille ist vielleicht ein Abbild der
Unendlichkeit, ...wie sein Bruder womöglich.
Und
die Musik so zahrt und leise, wie das Leben. Das Ameisengleich sich
überall in den Ritzen und Hautfalten der Landschaft eingenistet hat.
Dort wo das Wasser seine Magie betreibt, alles in Grün verwandelt.
Die Farbe des Lebens ist frisches Grün. Der beginn alles Lebens, und
dessen Bedingung. Ohne Pflanzen könnten wohl keine solchen Lebewesen
wie wir überleben.
Es
gibt erstaunlich viele Tiere auch hier in der Wüste: Ameisen,
Fliegen, Elstern, Störche und Raben, Esel, Hunde, Katzen und auch
ganz viele dieser nackten Zweibeiner, die sich immer selbstgemachte
Tücher um ihren Leib wickeln müssen. Merkwürdige Wesen, die sich
rollende Sofazimmer und maschinelle Pferde erbaut haben, und die sich
gerne wabengleich in großen Ansammlungen von Mörtelburgen
verstecken. Und was wir noch alles tun! Wir Menschen sind sicherlich
die merkwürdigste Kreatur, die je auf diesem Planeten existiert hat.
Zu was unsere Gehirne alles fähig sind liegt weit jenseits aller
Vorstellungskraft. Allein nur das Internet!
Ich
hab hier die aktuellen Wetterdaten von egal wo auf diesem Planeten.
Ich schicke Bilder und Worte zu meiner Familie, die 3000Km weit weg
sind, und das innerhalb von Sekunden!
Ich
meine, was tun wir hier? Da beneide ich oft den Bauern oder Hirten
von hier, der noch genau weiß was er tut und warum er es tut. Denn
wir Europäher sind schon so losgelöst von diesen Wurzeln. Wir haben
ja ach so viele Möglichkeiten, und manche von uns auch den Luxus der
Zeit, diese genüßlich auszuprobieren. So wie ich mit meiner tollen
Maschine, und dem passendem Reisepass, auch noch mit genügend Geld
dazu.... Ich komme hier her, stecke meine kleine handliche
Plastik-Karte in einen Schlitz und bekomme ganz locker 1000Diram
(umgerechnet ca 95 Euro) ausgespuckt, das Jahreseinkommen einer
armen Nomadin vielleicht, das für meine zwei Wochen hier gerade mal
so ausreicht. Ich habe dazu noch ein absolut makelloses Fahrzeug,
dass mich ohne eine Mucke diese ganzen 2100Km durch Afrika gebracht
hat.
Ja,
ich liebe treue Maschinen. Sie sind für mich wie gute Freunde, auf
die man sich verlassen kann. Mit denen man viel Spass erleben kann,
und denen man gerne mal geduldig zuhört oder ihnen hilft, wenn es
ihnen mal nicht so gut geht. Für gute Freunde tut man alles...
Aber
wir waren beim Tod. Der Tod ist so viel größer wie das Leben. Das
Leben ist so selten wie richtig gute Musik. Das Leben ist das
besondere hier, das kostbartste dieses Planeten. Wir sollten es noch
viel mehr lieben und achten in jeder Form es uns entgegentritt. Das
Bewusstsein
schläft
im Stein, atmet in der Pflanze, träumt im Tier und erwacht im
Menschen.
Gestern ein weiterer
Gewitterritt. Nach einer Sackgasse durch einen Kartenfehler bei
Gourama kam ich pünktlich zur Gewitterstunde am Nachmittag an den
letzten Pass des Hohen Atlas an. Kalter stechender Regen und ein
gefährlich böiger Seitenwind peitschten mich immer weiter durch die
Gewitterfront. Zunächst sah es dahinter in der großen Ebene hinter
Midelt viel friedlicher aus. Doch auch dort sah ich mich nach
weiteren 50Km direkt vor einer schwarzen, blitzenden, unheimlichen
Wolkenwand.
Ich konnte meist zwei oder
drei Wolkenbrüche gleichzeitig sehen. Mein Weg nach Norden führte
mich glücklicher Weise immer genau zwischen zwei dieser schwarzen
Regenschwaden hindurch. Manchmal versuchte ich durch beschleunigen
oder verlangsamen meiner Fahrt, den eisigen Regentropfen, die bei
80Km/h wie kleine Nadelsticke auf mich niederprasselten, zu
entkommen. Es gelang mir nicht immer. Manchmal waren die Wolken
einfach schneller wie ich, und einige Blitze zuckten in meiner
unmittelbaren Umgebung zu Boden. Blanke Urangst ergriff mich dabei,
doch hatte ich eine Wahl? Ich musste einfach schneller sein als das
Gewitter, sonst würde es mich bis auf die Knochen durchnässen und
die Weiterfahrt für viele Stunden unmöglich machen. Also fuhr ich
beständig in dieser turbulenten Kaltfront dieser Monsterwolke, in
der heftige Stürme, Blitze und Regenschauer sich miteinander
abwechselten.
Doch ich, der tapfere auf
meinem treuen Pferd peitschten ebenso dahin, und entkamen dem Unglück
meist immer nur um Haaresbreite.
Das letzte Unwetter dann, das
wie aus dem Nichts plötzlich über mir losbrach, erwischte mich dann
beinahe doch noch. Nur der heftige Schirokko-Südwind rettete mich
dieses Mal und der Regen fiel knapp woanders hin ein paar Hügel
weiter. Und wie zur Belohnung schenkte mir die Sonne dann noch einen
schönen Regenbogen und ein wunderbares Abendrot zum Abschluss dieses
anstrendenden Tages. Ich schaffte 384Km an diesem Tag. Ich schlief
tief und fest in der sternenklaren und windstillen Nacht, und der
nächste Morgen war wieder so friedlich, als wäre nie etwas
schlimmes gewesen.
Swann mein Nachbar wird mich
vielleicht als Einzigster wirklich verstehen. Denn auch er lebte
seine Motorrad-Leidenschaft mit dem lustigen Motto aus: “Jeder
Schritt muss gefahren werden”.
Nun, was mein Laufpensum
betrifft bin ich derbe im Rückstand. Ja ich sehe schon Martin vor
mir, und ich liebe diesen Gesundheits-Engel, der er für mich
geworden ist. Wo käme ich hin ohne ihn! So wenig gelaufen wie in den
letzten Tagen bin ich schon lange nicht mehr. Ich bin nur auf der
Karre geritten bis mir der Arsch wund wurde. Drum hab ich ihn heute
eingesalbt und ne frische Unterhose angezogen. Wurde auch mal Zeit.
Aber Mopedfahren Swann, ist einfach sowas von geil! Und das dann auch
noch in diesen wunderschönen weiten Landschaften dort in Afrika.