michelgeschichten

Gesammelte Werke der Seelengeschichten des Prof.Dr.Strampelcheck. Kuckt mal auf meine Fotowebseite unter www.solarphoto.blogspot.com

Freitag, Juli 07, 2006

Namibia

Meine Zeit in Namibia vom 04.05 bis 19.05.2006 …ein etwas anderer Reisebericht.
Fotos dazu siehe unter: www.solarphoto.blogspot.com

Unser „weißer Elefant", der große weiße MAN-Reisebus der Namibischen Reiseorganisation: „Sense of Afrika" ist fast voll besetzt, 41 von 44 Plätzen sind belegt. Die Reisegäste sind alles schon etwas ältere Leute, ich bin mit meinen 42 Jahren mit Abstand der Jüngste, der Älteste ist 72. Die meisten sind Rentnerpaare und alle haben ihr ganzes Leben hart gearbeitet, haben all ihre Jahre fleißig in den verschiedensten Berufen um ihre finanzielle Existenz gekämpft, haben sich damit einen gewissen Wohlstand erschuftet und sind froh sich jetzt diesen Luxus leisten zu können.
Sie können sich vielleicht erst jetzt diesen Traum erfüllen das ferne Afrika zu bereisen. Doch ich hab ein solch anderes Leben gehabt wie sie, konnte mir so viele Träume schon in meinen jungen Jahren erfüllen. War auch schon öfters in Afrika (Marokko) mit den verschiedensten Verkehrsmitteln gewesen. Darum war es für mich jetzt wie das große wilde Afrika auf einem bequemen Sofa zu bereisen. Eben diesem bequemen Luxussitz dieses modernen Reisebusses. Der Reisebus war perfekt ausgestattet, die Klimaanlage ließ nur gefilterte und kühle Luft zu uns hindurch, die extra starke Federung ließ einem die üblen Wellblechpisten Namibias kaum spüren. Der weit vergrößerte Bodenabstand des Fahrwerks mit den fast nagelneuen und riesigen Michelinreifen und der bärenstarke MAN-6-Zylinder Diesel, schnaubte mit über 30Litern pro 100Km problemlos einfach überall hinauf und hindurch.
In den Hotels, in den Restaurants und an all den Ausflugsorten wurde uns eine europäische Standartwelt vorgegaukelt. Die Reisenden nahmen das scheinbar selbstverständlich und sichtlich erleichtert an. Es gab sogar einfache Toiletten an einigen eingezäunten Parkplätzen mitten in der Pampa. Und niemand hier wollte auf seine heiße Dusche am Abend verzichten. Das wurde recht deutlich, als mal an einem offiziellem Rastlager der Regierung die Wasserversorgung zusammenbrach. Die Angestellten brachten Wasserkanister an jedes Apartment, aber das Thema wurde sogar noch nach Tagen sehr gerne aufgegriffen und die schlechten Zustände dort immer wieder bemängelt. Merkwürdig fand ich, denn fast niemand sonst im Land dort hat fließend Wasser zuhause.
Das Essen war reichhaltig und wurde, bis auf das Wildfleisch so gut wie immer aus Südafrika oder gar Europa importiert. Es gab Obst aus der Dose, diverse Salate aus dem Glas und Joghurt aus Plastikbechern, was uns dann aber immer in großen edlen Porzellanschüsseln am Buffe dargeboten wurde.
Die Realität abseits all dieser Luxushotels sieht in Afrika so oft ganz und gar anders aus. Kulturen prallten hier schon immer aufeinander. Die meisten Menschen hier sind bitterarm. Die Hauptstadt Windhoek mit etwa 800000 Menschen, besteht aus einem sehr europäischen modernen Kern und endlosen kilometerweiten Hügelketten voller Slums ringsherum. Windhoek beherbergt fast die Hälfte der Einwohner Namibias.
Die Appartheit hat sehr tiefe Wunden in all diese Menschen geschlagen, Hass und Neid zerren noch immer sehr am Wohlergehen dieses Landes, denn nun sind es einige mächtige Schwarze die es den Weißen mit einer korrupten Vetterleswirtschaft heimzahlen wollen.
Viele Weiße leben in Angst, und je reicher sie sind desto mehr grenzen sie sich ab, schützen ihre Häuser mit Stacheldraht, hohen Mauern oder gar Elektrozäunen. Doch die meisten Schwarzen sind ganz einfache und auffallend fröhliche Menschen die mit dem wenigen was sie haben erstaunlich glücklich sind. Sie kommen meist von den kleinen Dörfern aus dem Buschland, lebten ein Leben ganz nahe der Natur, sind die vielen Entbehrungen gewohnt.
Erschreckend das Aids Problem im Land. Jeder fünfte hat Aids, von den sexuell aktiven zwischen 16 und 36 sogar jeder zweite ! Dieses Land wird schon bald noch mehr ausgestorben sein, denn das Problem wird offensichtlich auch nicht besonders ernst genommen.
In unzähligen Familien hier liegt ein Todkranker, der mit durchgefüttert und gepflegt werden muss. Die Menschen machen hier kein allzu großes Drama um den Tod, es gibt hier immer mehr als genug Nachwuchs, aber allein der volkswirtschaftliche Schaden durch Aids ist unvorstellbar.
Hinter der getönten Scheibe des Reisebusses ziehen die endlosen Weiten Afrikas vorüber, Hunderte von Kilometern wildes und scheinbar unberührtes Land, und doch fühle ich mich hier im dem Reisebus so sehr in Deutschland wie schon lange nicht mehr. Bin ich wirklich hier in Afrika ? Oft erscheint es mir nur wie ein Traum. Diese köstliche Stille der Wüste bleibt draußen hinter der Scheibe, direkt vor meiner Nase und doch unerreichbar.
Nur wenn der Reisebus mit dieser ewig schnatternden Touristen-Meute mal für eine Pinkel-Pause anhält und ich für 15 Min ein wenig herumlaufen darf, beginnt mein Körper zu fühlen das ich wirklich da bin. Ich spüre das diese Weite wirklich um mich ist, das die Zeitlosigkeit und Ewigkeit dieser ältesten Wüste auf unserem Planeten hier meine kleine Nasenspitze berührt, und ich mit meinem ach so kurzen Leben meine selbige für einen winzigen Augenblick hier hineinstecken darf. Ich sehnte mich so sehr nach der Stille die dort um uns war und doch nahm das Geplapper der Leute nie ein Ende, und es verfolgte mich, so weit ich in diesen kurzen Stopps auch weglaufen konnte. Ich gebe bald auf, ich begriff und akzeptierte das ich diesem Geräusch auf dieser Reise einfach nicht entfliehen würde, und manchmal tat das sehr weh, dann wurde ich sehr traurig dass ich dieser kostbaren Stille so greifbar nahe war und sie aber doch nicht erleben und in mich aufsaugen durfte.
Doch ich erkannte dadurch auch etwas sehr kostbares. Als ich damals in Marokko das erste mal in der Wüste war verliebte ich mich unsterblich in diese fast schon unheimliche Stille. Wie viele andere Wüsten-Vernarrte ließ mich die Wüste nie wieder los und all die Jahre schon sehnte ich mich nach ihr zurück. Als ich jetzt nun endlich wieder in ihr war erkannte ich, dass ich diese ersehnte Stille in all diesen Jahren in mir selbst gefunden hatte. Das Geplapper der Leute erschien einerseits so unerträglich zu sein das ich manchmal sogar etwas weinen musste, und doch war es auch völlig unbedeutend, denn ich konnte einfach in meine innere Stille eintreten, die völlig identisch war. Ich hatte die Zeitlosigkeit und Ewigkeit der Wüste in mir selbst gefunden.
Schon bald würde Volker, unser Fahrer und Reiseleiter, den Motor wieder anlassen und damit das endgültige Zeichen zum Aufbruch geben. Und sobald diese große Diesel-Maschine wieder vor sich hin schnurrte und das kleine bisschen Stille, das zwischen all den Gesprächen noch übrig blieb, augenblicklich Kilometerweit verscheuchte, strömten alle, die sich ein wenig vom Bus entfernt hatten eilig wieder zusammen.
Mir war als folgten sie alle diesem Ruf der Maschine wie brave Schäfchen unserer Zivilisation. Wie gerne wär ich oft einfach dageblieben, hätte mich für ein paar Tage irgendwo hingesetzt… doch wir alle waren da wie Gefangene unserer modernen Überlebensmaschinerie, und wir alle gehorchten ihr ohne zögern. Denn niemand konnte wirklich alleine dort verbleiben, die Tödlichkeit der feindseligen Wüste ohne Wasser und Schatten lauerte hier schon seit Urzeiten. Mir war als kroch in jedem von uns eine tiefe Angst plötzlich aus dem Unterbewusstsein, der Bus wurde plötzlich zur einzigen Rettung, zur beschützenden Mutter der Zivilisation und alle versammelten sich lässig, ihre Angst dabei überspielend, vor der gläsernen Türe und warteten geduldig bis sie kurz darauf, einer nach dem andern, wieder im Bauch des großen weißen Metall-Elefanten verschwanden, der sich dann alsbald mit röhrendem Getöse und seinen 44Sofa-Sitzen wieder von dannen machte.
Es würde nichts zurückbleiben außer ein Wölkchen Abgase oder vielleicht ein kleines Schnipsel Plastikfolie von irgendeiner industriellen Schokoriegel Verpackung. Nichts was diese Wüste hier stören könnte in ihrer majestätischen Ruhe. Und selbst wenn wir mit dem ganzen Reisebus dort liegen bleiben würden und uns vielleicht niemand mehr finden könnte, nach spätestens ein paar Jahren wär absolut nichts mehr von uns zu sehen. Die Wüste würde uns alle mit nur einem kleinen Quäntchen Zeit verschlucken, so als wären wir nie dagewesen, und würde weitere Hunderttausende von Jahren genau so weiterexistieren wie sie es hier schon seit Hunderttausenden von Jahren tat.
Unser Auftauchen hier war nur wie ein Flügelschlag einer einsamen verlorenen Fliege über die sich niemand schert, am Fenster einer selten benutzten Besenkammer.
Die so lange ersehnte Wiederbegegnung mit Rudi meinem Vater vollzog sich langsamer als ich es mir vorgestellt hatte. Ich wollte ihn nicht mit allzu tiefen Fragen bedrängen, versuchte einfach eine schöne unbeschwerte Zeit mit ihm zu verbringen. Hatte Angst bei ihm alte Wunden aufzureißen, die ihm diese schöne Zeit in Afrika vielleicht vergiftet hätten. Und er wusste einfach nicht man bei mir die richtigen Fragen stellt, er konnte sein Interesse an mir nur über Alltäglichkeiten zeigen, die ich zuerst als zu oberflächlich abwertete.
Ja, wir waren beide sehr behutsam miteinander, doch unser Vertrauen zueinander wuchs dabei sehr viel in dieser Zeit.
Sie Stimmung unter den Reisenden war gut. Doch die anfängliche Offenheit unter den Mitreisenden, diese Mischung aus Neugierde und Freundlichkeit verlor nach einer Woche für mich dieses stimulierende Element des Interesses. Vielleicht fehlte mir wieder nur der passende Schüssel zu diesen Menschen. Rudi bewegte sich sehr sicher auf diesem Terrain er schien einen Schlüssel zu diesen Menschen zu haben, wobei ich sehr viel von ihm lernen konnte. Er schaffte es mit seiner locker flockigen Art fast immer die Stille zu brechen und angeregte Gespräche zu eröffnen.
Aber wirklich tiefer und vertrauter wurde es dabei nie. Ich dachte mir irgendwann, vielleicht gibt es bei diesen Leuten auch gar keinen Tiefen-Schlüssel mehr, weil sie sich von selbst immer dann verschließen wenn es mal wirklich etwas näher und persönlicher werden könnte ?
Sie verharren lieber in sicherer Distanz und in freundlicher Oberflächlichkeit, doch auch sie dürsten dahinter nach Nähe und Liebe wie jeder Mensch.
Einige wirklich gute Komiker schafften es dann öfter mal diese Menschen zum lachen zu bringen und dabei schien mir manchmal eine warme Herzlichkeit durch alle Herzen zu gehen. Kurz öffnete sich der Vorhang, alle Augen leuchteten, die Gesichter entspannten sich und die Stimmen wurden plötzlich schrill und laut. Es war als wollte etwas aus ihnen hinaus das schon sehr lange nur darauf wartete. Doch schon nach kurzem wurde es dann wieder still, sehr still… Hatte man sich etwa daneben benommen, hatte man vielleicht etwa zu laut gelacht, vielleicht eine doch etwas zu anzügliche Bemerkung von sich gegeben, jemanden zu sehr damit auf den Schlips getreten oder sich selbst gar vor anderen damit entblößt ?
Hier in dieser alten deutschen Welt wird noch so viel Wert auf das Prestige gelegt, dass das Menschliche viel zu oft dahinter verborgen bleiben muss. Aber sie taten mir leid, sie alle machen sich damit nur selbst unglücklich, schneiden sich selbst von der Liebe ab die sie haben könnten, und die wir alle doch so dringend brauchen.
So versuchen sie es dann Paarweise, halten daran fest, hüten ihre Ehe wie den einzigen Schatz den sie haben. Doch manchmal ist dieser Schatz auch schon etwas marode und verfault und bei einigen stinkt die Verlogenheit bis über die Mauern ihrer Angst hinweg.
Und doch fand ich sie alle sehr tapfer. Sie liebten einander trotzdem. Sie alle kannten gar kein anderes Leben, sie waren auch nur das Opfer ihrer Zeit, denn wie jede Generation machten sie auch nur das Beste aus dem was sie für sich vorfanden.
Und nur ich unter ihnen hatte vielleicht die Gnade gehabt ein anders Leben leben zu können. Ich in meiner Generation musste mir schon nicht mehr all diese existenziellen Sorgen machen, all die Ängste ausstehen, all diese Scham ertragen, all den strengen gesellschaftlichen Normen entsprechen, all meine Hoffnungen vergessen. Ich in meiner Generation hatte den Luxus, die Freiheit und vor allem auch schon die Möglichkeiten gehabt fast all meine Träume zu verwirklichen.
Ich war wohl eher geschockt von der Tatsache wie schwer es diese Leute in ihrem Leben hatten, denn jetzt wollte ich all diese tapferen Leute auch gar nicht verurteilen, wie ich es sonst so gerne tat, und hinter all den alten Fassaden ihrer Selbstbilder erkannte ich nun jeden einzelnen Menschen, und ich lernte auf dieser Reise ausnahmslos alle lieb zu haben.
Ja sie waren alle wirklich großartig wie sie waren, und wir wurden zu einer kleinen eingeschworenen Gemeinschaft. Wir grüßten und freuten uns, wenn wir in einer Stadt zufällig aufeinander trafen, lachten uns an oder setzten uns zusammen an einem Tisch wenn wir uns abends mal im selben Restaurant wiederfanden. Tauschten Bonbons, Taschentücher, Filme und Ladegeräte untereinander aus.
Ja, am Ende der Reise ergriff uns alle die Traurigkeit des Abschiednehmens, auch wenn einige das gar nicht zeigen konnten. In meinem Herzen blieb viel Liebe und eine tiefe Achtung vor diesen Menschen, auch wenn ich sie alle wahrscheinlich niemals wiedersehen werde, ich werde die Zeit mit ihnen niemals vergessen.
Ja, diese Reise nach Afrika mit meinem Vater hat mich irgendwie mit der ganzen Generation meiner Eltern wieder versöhnt. Mir wurde klar das ich all die Jahre eben diese Generation verantwortlich gemacht hatte für all das Elend in der Welt. Für all die schreienden Mißstände in Wirtschaft, Medizin, Politik, für die Umweltzerstörung, die Gewissenlosigkeit, ja sogar für die Ignoranz und Dekadenz unserer Spezies.
Ich wollte immer anders sein und wie jeder gute Teenager wollte ich damals nur noch raus aus diesem tödlichen Spiel. Doch es dauerte bis jetzt, das ich erkannte, das man all dieses Elend niemals einer einzigen Generation anheften kann. Denn die Struktur dieser ganzen Misere besteht ja schon viel viel länger, schon immer bekriegten sich die Menschen, taten einander weh, unterdrückten und mißachteten sich gegenseitig. Schon immer regierte die Angst, …und Wut, Eifersucht und Rache brachten endlose Ketten der Gewalt und Zerstörung über unseren Planeten.
Und was nun diese Nachkriegs-Generation meiner Eltern auf der Erde angerichtet hat ist nur die logische und konsequente Folge einer viel viel größeren und sehr schwierigen Entwicklung zur Menschwerdung. Wir alle (mich eingeschlossen) haben unser eigenes Potential noch lange nicht ausgeschöpft, und es wird uns auch nicht mehr genug Zeit bleiben, ein Menschen-Leben scheint mir heute dazu viel zu kurz. Doch jede Generation lernt eben nur von den Fehlern der letzten.
Meine Generation hat zwar eine große Gegenbewegung auf die Beine gebracht, wir haben geschimpft, disskutiert und demonstriert gegen Atomkraft, Umweltzerstörung, politische Skandale. Wir haben ökologischen Landbau betrieben und Bio-Läden errichtet, haben versucht neue Lebensformen zu finden, haben Kommunen und WG’s gegründet, haben versucht mit der freien Liebe die alten Strukturen der Ehe auszuhebeln. Doch was ist aus all dem geworden ? Die Grünen sind heute genauso korrupt und systemkonform, die Umweltzerstörung und Artenvernichtung schreitet genauso unaufhaltsam weiter, die Beziehungslandschaft gleicht einem Schlachtfeld an dem jetzt vor allem unsere Kinder zu leiden haben. Und Ignoranz und Dekadenz macht sich auch hier schon überall breit. Wir haben das Pulver unserer Generation auch schon verschossen, konnten aber auch nicht wirklich viel damit ausrichten.
Diese Reise machte mir noch mal etwas wichtiges deutlich: Wir alle hier sitzen im gleichen Boot!
Und keiner weiß genau wohin die Reise geht, und es kommt hier sowieso keiner lebend raus…
Was uns allen bleibt ist das Hier und Jetzt, versuchen jeden Augenblick zu genießen, einfach Zufrieden sein mit dem was man hat und was man ist. Und hier sind wir doch alle gleich, sind liebende, fühlende Menschen die sich auf den nächsten Tag freuen…

Donnerstag, Juli 06, 2006

Höhenflüge

Vor kurzem hab ich mit der Paragliding-Flugschule hier in Motril meine ersten Höhenflüge mit über 200m Starthöhe absolviert. Was ein irres Gefühl wenn du da oben stehst auf dem Berg. Vor dir geht’s richtig steil runter, unten siehst du die Autos wie kleine Spielzeuge fahren, der Wind weht dir um die Ohren, du hast den Gleitschirm schon präpariert und säuberlich hinter dir auf dem Boden ausgelegt, alles ist fertig und mehrmals durchgecheckt….
Sind alle Gurte auch gut geschlossen, ist der Helm fest, ist das Funkgerät auch angeschaltet, sind auch alle Leinen frei und nicht irgendwo am Boden verhakt an Steinen oder um Pflanzen gewickelt, steh ich auch genau im Zentrum vom Schirm….
Ich fühle schon den Druck und die sanften Turbulenzen von Wind auf den Leinen in meinen Händen. Schaue vor mich in den weiten Luftraum, den Landeplatz im Auge. Alles ist bereit…
Und plötzlich fragst du dich ob du jetzt wirklich da runter springen sollst, und wieso Leute sowas überhaupt tun, ist doch ein völliger Wahnsinn sich selbst in solch eine Gefahr zu bringen… Die blanke Angst schaut dir frontal ins Gesicht und dir wird schlagartig klar was du dabei riskierst. Dein Körper schüttet erstmal ne fette Ladung Adrenalin aus.
Doch dann vergisst du das alles einfach und die Lust es einfach zu versuchen wird stärker als alles andere, du schaltest deine Angst einfach ab, und dann tust du es einfach…..

Ein kräftiger Ruck an den A-Leinen mit dem ganzen Körpergewicht und der Schirm steigt sekundenschnell hinter dir hoch und der Wind reißt dich erstmal ruckartig mit dem Schirm fast 2m zurück, doch dann steht dieser riesen Flügel (mit fast 10m Spannweite !) ganz ruhig über deinem Kopf und nur mit einigen Schritten nach vorne und einem leichten Zug an den Bremsleinen schwebst du dann einfach in die Höhe, fliegst dann nach vorne, weg vom Berg um erstmal Höhe zu gewinnen… einige Sekunden später hast du schon 50m Luft unter deinen Füßen, spürst es in deiner Magengrube wenn du runter kuckst, wie wenn du vor einem tödlichen Abgrund stehst….

Doch nun denkst du gar nicht mehr an die tiefen unter dir, du bist jetzt mit deinem Flügel einfach ein Teil der Luftmassen geworden, bist in eine ganz neues unbekanntes Element eingetaucht. Wirst davon getragen, gelegentlich mal angehoben, manchmal leicht geschüttelt. Langsam und fast lautlos gleitest du dahin, hörst dabei alles was sich unten auf der Erde so abspielt, das Meeresrauschen, die Autos. Der Wind surrt leise durch die Leinen, das Tuch über dir flattert und knistert manchmal ein wenig.
Ich ziehe eine Seite der Bremsen und lehne mich wie ich es im Flug-Simulator gelernt habe mit meinem Körpergewicht mit in die Kurve hinein, fliege immer am Berg entlang, natürlich mit ausreichend Sicherheits-Abstand versuche dabei den Aufwind zu nutzen, und schon bald bin ich über 20m höher als der Startplatz. Sehe Antonio meinen Fluglehrer mit seinem Walkie-Talkie dort unten stehen, fliege an ihm vorüber um gleich darauf schon die nächste Kurve zu fliegen, höre ein paar Anweisungen aus dem Lautsprecher meines Funkgerätes quäken, ziehe eine Acht nach der anderen, gewinne noch mehr an Höhe, doch ich beschließe dann in die Weite vor mir hinaus zu fliegen, dem Meer entgegen, überquere eine stark befahrene Landstraße in etwa 100m Höhe, sehe unten dicke LKW’s wie kleine Kartons längs fahren, fliege über eine kleine Wohnsiedlung hinweg, sehe einen alten Mann, wie einen Frosch direkt von oben in seinem türkis-blauen Swimming-pool schwimmen.
Kleine Turbulenzen schütteln mich ein wenig durch, manchmal pfeift den Wind ganz heftig und ich gewinne schnell noch mal ein paar Meter Höhe. Ich entspanne mich, mach es mir bequem in meinem Sitz, dann realisiere ich wieder neu: Ich fliege wirklich ! Es ist kaum zu glauben !!
Nach einigen Minuten schon erreiche ich den Strand, noch immer mit 50m Resthöhe. Plötzlich kommt eine neue Angst: Werde ich die Landung auch gut hinbekommen?
Ich lenke ein in die Zielgerade. Höre jetzt die Wellen schon viel lauter, sehe einige Leute die am Strand liegen und fasziniert zu mir hoch sehen. Mach mich fertig für die Landung, stelle mich aus dem Sitz auf, hänge jetzt nur noch an den Gurten. Der Boden kommt ziemlich schnell auf mich zu, jetzt versuche ich die vorgeschriebene Vollbremsung genau einen Meter über dem Boden einzuleiten und lande dadurch dann tatsächlich so sanft wie eine Feder wieder auf der Erde.

Halte die Bremsen weiterhin voll gezogen, dreh mich schnell um und warte bis der Schirm in sich zusammenfällt und wie ein altes Handtuch auf den Boden sinkt. Fange sofort an den Schirm mit den Leinen zusammenzuziehen, damit der Wind nicht mehr reinblasen kann und mich dann aus Versehen wegreißen und über den Boden schleifen könnte. Und noch während ich die vielen bunten Leinen durch meine Finger gleiten lasse bemerke ich in mir erst diese unaussprechliche Euphorie, das Adrenalin jagt durch alle Adern, und eine tiefe Entspannung und Erleichterung geht nun durch meinen Körper, denn ich hab es geschafft…, ich hab mich echt getraut zu springen, und ich bin sicher und heil wieder angekommen auf dem guten so vertrauten Boden dieses wundervollen Planeten.

Diese ganzen Eindrücke sind so stark, dass ich noch tagelang immer wieder all diese Bilder in meinem Kopf habe. Selbst beim Autofahren entdecke ich, wie ich nebenher in Gedanken etwa 100m über dem Auto mitfliege und mir die ganze Landschaft von oben vorstelle…
Was ein abgefahrenes Erlebnis das Fliegen !
Endlich hab ich mir selber meinen alten Kindheitstraum erfüllen können.

Und dann kam ich abends Heim völlig müde, hungrig und kaputt setzte mich erst mal in meinem Dom in meine neue Hängematte, schaukelte ganz verträumt so ein bisschen rum, um diesen Tag noch mal an mir vorüberziehen zu lassen, und auf einmal macht es RATSCH, eine Schnur reißt, und ich lande ziemlich übel auf dem Steißbein…. AUTSCH !!!
Ja das Leben ist wirklich sehr gefährlich !

Montag, Juli 03, 2006

YOUDID

JUDIT

Letzte Woche habe ich diese nette Theater-Truppe von Nadja und Judit besucht. Alle anderen waren gerade wegen irgendwelchen Jobs unterwegs und wegen der eisigen Kälte ergab es sich so, das wir alle drei zusammen im dem großem Bett in Nadjas beheizbaren Bauwagen schliefen. Ich lag dann also plötzlich mal neben dieser wunderhübschen Judit die ich schon immer so toll fand unter einer großen Daunendecke und fand es vorallem ganz arg toll endlich mal wieder die Körperwärme einer schönen Frau neben mir zu spüren. Wir berührten uns am Oberschenkel und an der Schulter. Mir war aber dabei natürlich aber ganz klar bewusst, das ich keine weiteren Annäherungen erwarten oder gar selber forcieren konnte. Ich spürte das diese körperliche Nähe auch für Judit sehr überraschend und vielleicht auch für uns beide etwas gewagt war.

Doch ich war natürlich voll glücklich darüber. Ich hatte mir doch das ganze letzte Jahr so gewünscht nicht immer so alleine im Bett zu liegen, wie viele Nächte schon hatte ich immer den Körperkontakt und die Körperwärme eines andern vermisst, und jetzt erfüllte sich endlich mal dieser sehnliche Wunsch.
Natürlich blieb das Hirn nicht ruhig und mir gingen dabei so einige Gedanken durch den Kopf, wie es wohl wäre wenn…, doch ich versuchte einfach nicht daran zu denken. Konnte ich mich denn nicht mal einfach nur damit zufrieden geben was war, warum wollte ich denn immer nur mehr und noch mehr… ?
Aber die Sache begann mich auch irgendwie zu interessieren und ich ließ dann einfach meiner Phantasie mal freien Lauf, aber natürlich ohne dabei den inneren Beobachter zu verlieren:

Ich stellte mir vor wie schön es wäre wenn ich meinen Arm jetzt mal so „ganz unabsichtlich“ hochlegen würde und sie sich dann vielleicht genauso „unabsichtlich“ umdrehen und mit einem ganz beiläufigen Säufzer ihren Kopf darauf legen würde….
Dann könnte ich ihre Haare und vielleicht sogar auch ihren Atem auf meiner Haut spüren. Ach das wär echt so schön, dachte ich mir und sicherlich könnte ich das eine ganze Zeit lang total genießen. Doch in meinem Kopf würde es sicherlich schon weitergehen….
Ihre Aktion würde ich dann sicherlich als aktive Annäherung für mich deuten, was all meine geheimen Wünsche, Sehnsüchte und erotischen Phantasien ganz enorm anstacheln würden. Denn dann wär es plötzlich nur noch ein kleiner Schritt meinen Arm um sie zu legen, um sie ganz zärtlich in meinem Arm halten zu können….
Ich würde mich dann sehr glücklich fühlen mehr ihrer Haut fühlen zu können und vorallem darüber ihr Vertrauen gewonnen zu haben, und es sicher eine ganze Weile genießen dieses Wunder eines lebendigen Wesens in meinen Armen halten zu dürfen. Doch irgendwann wär mir all das wahrscheinlich auch nicht mehr genug, ich würde mich ganz sicher recht bald ganz arg danach sehnen, das mich auch ihre Hand irgendwo berührt und mich dann vielleicht sogar ein wenig streichelt…..
Denn dadurch könnte ich dann spüren das sie mich auch mag und vielleicht sogar noch mehr von mir will, und das wiederum würde mich dann anstacheln sie mit meinen Händen ganz warm und zärtlich zu liebkosen, ihr alles an Zärtlichkeit zu schenken was ich nur kann, in der Hoffnung das sie mir dann auch wenigstens ein klein wenig Zährtlichkeit zurück gibt….
Doch wenn es dazu käme würde dann ganz sicher die verzehrende Sehnsucht aufkommen sie „nur einmal“ ganz dolle an mich zu drücken, dabei ihren ganzen wundervollen Frauenkörper, und dabei vielleicht sogar ihren Pulsschlag spüren zu können….
Doch selbst wenn das geschehen würde wär ich bestimmt auch nicht wirklich damit zufrieden. Ich würde mich dann ganz sicher danach verzehren ihre sexuelle Leidenschaft wecken zu können, das Glück zu erleben diesen Pulsschlag zum rasen bringen zu können, sie überall zu küssen und zu berühren…..
Doch das würde dann nur die brennende Sehnsucht in mir wecken mit ihr Sex zu haben, mit ihr zusammen auf den Wellen der Lust zu reiten, bis in alle Ewigkeit….
Und sehr wahrscheinlich würde dabei eine noch viel tiefere Sehnsucht in mir wach werden, nämlich die, sie ganz und gar als meine Frau und Lebens-Partnerin zu gewinnen, mit ihr ein ganz intimes und wunderbares Verhältnis aufzubauen in dem ich mich dann endlich auch als ganzer Mann und Mensch total verstanden, angenommen und geliebt fühlen könnte…..
Und sicherlich würden dabei höchst wahrscheinlich wieder diese ach so dummen Schwierigkeiten auftauchen, die auch diese letzte große Sehnsucht immer ein wenig unerfüllt ließen….

So lag ich dann also immernoch neben dieser wunderschönen Judit, berührte immernoch nur ihre Schulter und ein kleines Stücken Oberschenkel und mir wurde plötzlich klar, das ich in mir drin bei jedem einzelnen dieser weiteren Schritte doch nur immer gleich sehnsüchtig und unerfüllt bleiben würde. Nichts von all dem würde mich wirklich zutiefst befriedigen können ! Ich würde nur denken der Erfüllung immer näher zu kommen und wegen der dabei aufkommenden Hoffnung meine Anstrengungen bis zur totalen Erschöpfung steigern.

Warum kann ich jetzt nicht einfach nur mal das genießen was „Hier und Jetzt“ da ist. Wieso will ich denn nur immer mehr, als ich vom Leben geschenkt bekomme, und mach mir damit mein Leben immer so schwer, unerfüllt und unvollständig. Wieso nicht einfach mal nur zufrieden sein mit dem was ist….
Ein ganzes verdammt einsamens Jahr lang hab ich mir doch oft genau sowas hier Gewünscht und jetzt ist es da und ich weiß nix besseres, als mich in Phantasien über etwas, was gar nicht da ist, und sehr wahrscheinlich auch niemals da sein wird, abzulenken von dem was JETZT ist. Ich schaffe es doch tatsächlich immer unglücklich und bedürftig zu sein, obwohl ich vom Leben gerade ein wunderbares Geschenk bekomme. Die Kunst unglücklich zu sein…
Oh Mann dachte ich, wie dumm von mir ! Und ich genoss einfach nur Judits Schulter und den kleinen Zipfel Oberschenkel… bis ich seelenruhig dabei einschlief.

Judit wollte nach Granada und musste dafür ganz früh aufstehen. Der Wecker machte uns alle wach. Als dann klar wurde das Ich schon wieder abgereist sein würde, wenn Judit wieder zurück kommt sagte sie, das sie mich dann aber noch gerne zum Abschied umarmen möchte. Wir drückten uns und ich konnte diese Umarmung genießen ohne eine Sehnsucht nach mehr.
All diese Schwere war einfach weg, ich war nur im Hier und Jetzt und ich war ganz leicht.
Ich wollte nichts festhalten, ich gab meine Liebe ohne irgendwas zu erwarten, und bekam Liebe geschenkt, aber nicht wegen meiner Liebe, sondern einfach wegen mir.

Parallelwelt Berlin

Ich hab diese Geschichte
„Parallel-Welt-Berlin“ genannt.

Auf meiner Reise im Juni 2005 hatte ich in Berlin ein recht seltsames Erlebnis das insgesamt zwar nur etwa 8 Minuten, aber doch auch eine halbe Ewigkeit, dauerte. Es geschah als ich einmal am Berliner Ostbahnhof in eine S-Bahn einstieg, da saß (wer hätte das gedacht) eine schöne junge Frau am Fenster. Sie fiel mir gleich auf und ich setzte mich ihr gegenüber. Ich hatte meinem neuen MP3-Walkman auf und hörte Musik im Kopfhörer von Notwist (Neon Golden) und war so ganz wo anders, …ein bischen wie verzaubert in meiner eigenen geheimen musikalischen und emotionalen Welt.
Sie las ein dickes Buch dessen Titel oder Autor ich nicht erkennen konnte. Sie schien auch total versunken zu sein in ihrer eigenen Welt. Wir beide saßen uns zwar recht nahe gegenüber, aber doch schienen wir wie durch mehrere Welten voneinander getrennt zu sein. Sie war versunken in ihrer ganz eigenen literarischen Welt und ich befand mich in einer ganz seperaten akkustischen Welt.
Da sitzen sich zwei Leute gegenüber und sehen sich nicht mal wirklich. Ich war etwas belustigt über diese, hier in Berlin aber schon so alltägliche Absurdität und musste darüber in mich hineinschmunzeln. In Andalusien wär sowas fast undenkbar. Dort ist alles immer sehr familiär, und die Menschen sehen sich viel öfter an und alle reden auch immer miteinander.

So saßen wir uns nun also gegenüber. Sie war hübsch, sogar sehr hübsch. Ich wartete ja nur darauf dass sie endlich mal kurz aufschauen würde, um vielleicht eine Brücke schlagen zu können zwischen unseren Welten. Ich hätte sie so gerne einfach nur mal angelächelt. Doch sie starrte gebannt immer nur in ihr Buch, was mich ein wenig traurig machte, aber so konnte ich sie mir wenigstens auch mal ganz ungestört etwas genauer ansehen.
Sie erinnerte mich irgendwie an Silke, meine große unerfüllte Jugend-Liebe. Ich überlegte kurz ob sie vielleicht tatsächlich Silke sein könnte. Ich habe sie jetzt schon seit über 15 Jahren nicht mehr gesehen. Doch das würde mit ihrem Alter nicht übereinstimmen, diese hier war vielleicht anfang 30, Silke müsste jetzt wie ich auch schon anfang 40 sein.
Ich fand sie sehr sexy und anziehend. Sie trug eine leichte schwarze Kordhose, Lederturnschuhe von Adidas, ein enges T-Shirt das ihre schöne, etwas mädchenhafte Figur sehr betonte. Sie hatte schulterlange, leicht gewellte, dunkelbraune Haare.
Wow, eine absolute Traumfrau. Sehr interessant auch ihr feines Gesicht, das wie die meisten Gesichter in Berlin ein wenig blass und von zu wenig Sonne gezeichnet war. Auch so manche Endtäuschung und tiefe Verletzung stand schon darin geschrieben und doch hatte sie sich ein warmes, tapferes und noch immer unschuldiges Leuchten darin erhalten können. Oh man, sie sah echt wahnsinnig sympathisch aus.
Und meine Hormone fingen natürlich an zu rumoren…
Sie mochte recht groß sein, hatte lange Beine mit reizend kleinen und wohlgeformten Füßen, ihr Becken hatte genau die richtige Breite für meinen Geschmack und ihr Oberkörper war genial schmal und dennoch hatte sie recht kräftige Schultern, die ihr insgesamt eine sehr sportliche Figur verliehen. Ich war einfach total hingerissen wie schon lange nicht mehr von einer Frau und ich malte mir in meiner Phantasie aus wie es wäre mit ihr zusammen zu sein. Wie schön es wäre ihren Körper überall berühren zu können. Mit ihr guten Sex zu haben…
Ich betrachtete sie Zentimeter für Zentimeter und ihr Körper fühlte sich plötzlich überall so eigenartig vertraut an, vielleicht so als währen wir schon etliche Jahre verheiratet. Es schien als hätte ich sie schon tausend Mal berührt. Als kannte ich all ihre Gerüche, jeden Muskel und jedes einzelne Haar an ihr...
War es einfach das universell Weibliche in ihr ? Diese immer gleichen Reize eines wohlgeformten Frauenkörpers ? Waren es nur wieder meine Hormone die mir zu Kopf stiegen? War es die eigenartige Vertrautheit ihrer Klamotten, die auch ganz meinem eigenen Geschmack entsprachen ? Oder war ich einfach nur voll am projezieren, bildete ich mir das alles nur wieder ein ?
Oder war es viel viel mehr ? Ich war echt verdattert, es war plötzlich alles so erschreckend realistisch ! Was ging hier nur vor sich !? Es war ein wenig so, als wär ich in ein anderes Parallel-Universum gerutscht. Etwas nahm mich gerade mit auf eine Reise. Die Zeit schien plötzlich wie rasend rückwärts zu laufen. Ich kam in eine andere Welt, …sah auf einmal unser gemeinsames Leben dort in Berlin, all die schönen Zeiten, aber auch unsere Streitereien und einige Meinungsverschiedenheiten. Dachte an unsere gemeinsamen Freunde und an deren Probleme, die uns beide sehr beschäftigen. An all die schlecht bezahlten Jobs und die gelegentlichen Geldsorgen um wenigstens noch die Miete bezahlen zu können…
Ich spürte meine tiefe Liebe zu ihr, aber auch meinen Frust und die Enttäuschung über ihre Launenhaftigkeit. Ahnte ihren Charakter, ihre ganze Art und kostete einen Hauch von unseren gemeinsamen Plänen und den vielen Zukunfts-Träumen die man in so einer großen grauen Stadt so träumt, um darin nicht allzu niedergeschlagen zu werden.
Ich lebte plötzlich in einem ganz anderen Leben, in einem Leben mit ihr in Berlin. Es war plötzlich so, als wär das Leben hier in Berlin mit ihr viel realer und wirklicher und ich würde jetzt gerade mit ihr nach Hause in unsere gemeinsame Wohnung fahren.
Und es wurde so extrem, dass sich alles kurzerhand total umdrehte …und ich würde mir gerade nur vorstellen sie jetzt hier das erste mal zu sehen, würde sie gar nicht kennen, und würde dabei den Reiz des Anonymen auskosten um jetzt einfach nur mal wieder total hingerissen von ihr zu sein wie am Anfang, und so endlich mal wieder wie frisch verliebt sein zu können.
Es erschien mir alles so verblüffend real. Ich spürte sogar, wie man sich hier als Berliner so fühlt…

Doch dann ertappte ich mich dabei, wie ich sicher schon seit einigen Minuten vor mich hinstarrte und dabei vertäumt und hemmungslos auf ihre großen, hellen, türkisblauen Augen schaute. Ich erschrak und schämte mich ein wenig darüber und auf einmal war ich sehr erleichtert darüber, dass sie immernoch ganz fest in ihr Buch vertieft war. Sie hatte wohl gar nichts davon bemerkt.
Aber ich wartete natürlich auch immer noch darauf, dass sie mal zu mir aufschauen würde.
Was mochte sie da wohl gerade lesen ?
Was fesselte sie denn nur so sehr ?
Was beherrschte nur diese wunderbaren strahlenden Augen.
Und plötzlich spürte ich einen tiefen inneren Schmerz. Vielleicht würde sie ja niemals aufblicken, und ich würde für immer gänzlich ungesehen und unerkannt bleiben müssen, denn plötzlich erinnerte ich mich auch wieder daran, dass ich schon bei der nächsten Haltestelle aussteigen musste. Ich wollte ja noch auf diese Puppen-Theater-Vorstellung gehen. Ich wurde plötzlich wieder aus diesem Tag-Traum gerissen und die Realität drehte sich wieder um.
Und sie hatte sehr wahrscheinlich überhaupt nichts von all dem bemerkt. Und sie würde sicher auch nichts merken wenn jetzt nicht endlich irgendwas geschehen würde.
Was sollte das denn jetzt alles bedeuten ? Hatte ich etwa sowas wie eine Vision ? Was wollte das Schicksal denn von mir ? Sollte ich etwas in Berlin bleiben ? Sollte ich jetzt einfach mit ihr weiterfahren, auch dort mit aussteigen wo sie aussteigen würde ? Würde sie dann womöglich Angst vor mit bekommen, wenn ich ihr heimlich durch die Straßenschluchten folgen würde ? Nein, das wollte ich auf gar keinen Fall.
Oder sollte ich sie jetzt einfach aus ihrer Buch-Welt reißen und sie ansprechen, aber wie ? Hätte ich ihr die Wahrheit sagen sollen, aber wie zum Teufel sollte ich ihr nur all das erklären.
Und was hätte ich ihr denn sonst schon sagen können, außer vielleicht dass ich sie sehr schön finde ?
Ich würde mir selbst dabei nur wie ein Idiot vorkommen, vielleicht rot werden und nur so schnell wie möglich wieder verschwinden wollen.
Nein, sowas wollte ich jetzt einfach nicht riskieren.
Aber dann dachte ich auch, vielleicht ist diese entzückende Frau hier die wahre Liebe meines Lebens. Sollte ich diese einmalige Chance jetzt einfach so verstreichen lassen ? Und ihre Augen, die wie für alle Ewigkeiten in dieses Buch zu starren schienen, strahlten so hell dass es mir fast weh tat !
Die Zeit raste mir davon. Mir blieb vielleicht nur noch eine Minute oder weniger. Ich mußte jetzt handeln, aber mir fiel so spontan einfach gar nix ein. Was war es nur, was ging hier eigentlich vor sich ?
Hatte ich mich nur selbst verarscht und nur mal wieder gnadenlos Projiziert und in ihr wieder mal diejenige gesehen, die mich vielleicht retten könnte ? Oder wollte ich sie vielleicht irgendwie retten aus ihrer Welt dort in Berlin, um sie dann in meine Welt nach Spanien zu bringen und mit welchem Recht ? Sie lebte hier ihr Leben und ich lebte meines in Spanien.

Mir kam alles einfach zu absurd vor. Hoffnungslos, aussichtslos, unerreichbar, unvereinbar. Ich kapitulierte und diese melancholische Musik von Notwist spielte immernoch in meinem Ohr:
„…..Have you ever been, all this time…… ?“ Ja, hatte ich denn jeh schon wirklich gelebt ? Was war ich nur für ein Feigling, verklemmt und unfähig wenn es mal drauf ankam.
Aber wo war denn sie ? Sie hätte es mir ja auch etwas leichter machen können… Hatten wir denn beide schon jemals wirklich gelebt. Waren wir beide nicht auch genau gleich in unseren eigenen Welten gefangen, hatten uns selber versklavt in den Vorstellungen was wir beide glaubten zu sein.
Diese ganze Wucht des Da-Seins rollte auf mich zu und schien mich gleich zu erschlagen. Ich hatte plötzlich genug, ich wollte nur noch hier weg, raus hier. Mit einem Satz sprang ich zur Tür, meine Halte-Station kam schon, aber ich konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen und drehte mich noch mal um.

Und sie blickte mich an
und
SIE LÄCHELTE !!!
Wow, was für ein tolles Geschenk !
Ich lächelte verwirrt und weise zugleich zurück. Immernoch war es so als würde ich sie schon sehr gut kennen, die Türen der S-Bahn öffneten sich. Es war für mich wie ein tragischer Abschied zwischen zwei guten alten Freunden.
Aber in dem Moment spürte ich auch, dass dieses Lächeln von ihr eigentlich schon genug war.
Was gab es denn noch zu sagen zwischen zwei so Vertrauten ? Was wollte ich denn noch mehr. Klar hätte ich einfach nicht aussteigen können, hätte versuchen können sie wirklich kennenzulernen, aber ich ließ sie einfach wieder los, ich ließ dieses ganze Leben mit ihr einfach hinter mir, um jetzt mein eigenes Leben zu leben, meinen eigenen Weg weiterzugehen.

Ich plumpste ins Hier und Jetzt und wollte nur wieder dieses wahre SEIN endlich wieder neu entdecken. Und dazu war es ganz egal was ich hatte, wo ich war oder was ich tat. Und plötzlich war ich so voller Energie, dass ich leicht wie eine Feder aus dem Zug hüpfte, und aus lauter Übermut noch schnell eine kleine Pirouette vor dem Fenster rannte, natürlich so, dass sie es noch sehen konnte, wie als ein kleines Abschiedsgeschenk, wenn sie nicht schon wieder am lesen war, um dann glücklich und traurig zugleich so schnell ich konnte den Bahnsteig entlang zu rennen, die Treppen hoch, bis mir oben die Puste ausging.

Dort oben auf der Brücke war dann niemand mehr, ich war wieder ganz allein und etwas brach auf ein Mal in mir zusammen, ich musste plötzlich ganz heftig weinen, einfach weil ich diese wundervolle Frau, die gerade noch so unheimlich viel für mich war, schon nach wenigen Minuten wieder verlor. Der Zug fuhr mit ihr schon unter der Brücke durch auf der ich stand. Ich spürte mit all meinen Fasern dass sie irgendwo da drin saß, spürte wie ihr Körper darin verschwand, wie sie von mir wieder fortgerissen wurde, ich wusste es war ein Lebewohl für immer, ich würde sie niemals wieder sehen. Dieser Zug war in der Tat abgefahren.
Und doch lachte ich gleichzeitig dabei vor Freude über mein eigenes Leben das jetzt wieder so unmittelbar vor mir lag. Mein ganz und gar eigener Weg, hier und JETZT.
Ja und ich spürte in allen Fasern wie sehr ich gerade Lust habe auf diesen eigenen Weg. Ich war wieder angekommen in diesem anderen Parallel-Universum, in meinem eigenen Traum, in dem ich jetzt gerade nur mir ganz allein gehöre. Und alles war wieder gut und richtig so wie es war…
Und das alles hatte vielleicht nur etwa 8 Minuten gedauert. Ja, wie relativ die Zeit doch manchmal ist…. und wie unheimlich subtil die Träume doch sind, in denen wir alle so leben…